Paralympisch leben

Blindes Vertrauen // Beim Goalball verlassen sich die Athleten voll auf ihren Trainer

Blindes Vertrauen // Beim Goalball verlassen sich die Athleten voll auf ihren Trainer
Foto: Die Mannschaft von Trainer Johannes Günther mit Fans im Olympischen Park. Quelle: Picture Alliance
09. September 2016

Es herrscht absolute Stille. Ungewöhnlich für eine Sportstätte, in der sonst Stimmung herrscht. Plötzlich, das Schweigen wird gebrochen: "Achtung, rechts!", ruft Johannes Günther. Der 34-Jährige ist Trainer der Goalball-Nationalmannschaft. Kurze, verständliche Kommandos - darauf kommt es an, seine Spieler sind blind.

Goalball ist schnell erklärt: Drei Athleten pro Team befinden sich auf der Spielfläche. Eine Mannschaft ist im Angriff, die andere in der Abwehr. Nun stelle man sich vor, man liege in einem neun Meter breiten Tor und solle einen Elfmeter halten - und das mit verbundenen Augen. Das Spielgerät, ein Hartgummiball, der in seinem Gehäuse mit Glöckchen ausgestattet ist, stellt die einzige Orientierungsmöglichkeit dar. Goalball ist ein schneller Sport: mit bis zu 80 km/h werfen sich die Profis auf dem Spielfeld die Bälle um die Ohren.

Trainer Johannes Günther steht an der Seitenlinie. Er sieht als Einziger, was abgeht. Er ist das Auge der Mannschaft, darf aber während des laufenden Spielzugs nichts sagen. "Meine Spieler können nur akustisch über das Verhalten ihrer Gegner und die Angriffseffizienz Rückmeldung erhalten", erklärt Günther, "deshalb benötigen sie viel Input von außen." Das ist seine Aufgabe. "Der Trainer gibt im Regelfall die offensive Marschroute vor", sagt Nationalspieler Michael Feistle, "ich muss ihm im wahrsten Sinne des Wortes blind vertrauen können." Günther ergänzt: "Wir Trainer haben einen großen Einfluss. Da kann man sich auch mal leicht vercoachen." Denn am Ende trägt Günther die Verantwortung, seine Spieler können nur ausführen.

Vor vier Jahren wurden die Erfassungssoftware GoalScouter und das Analysemodul Goal-Viewer an der Technischen Universität München entwickelt. Ein modernes System, das Günther ermöglicht, während der Partie auf eine Live-Analyse zuzugreifen. Dabei wird das Spielfeld von mehreren Kameras gefilmt. Sie erfassen jeden Wurf und seine Geschwindigkeit. Günther kann somit per Tablet-PC live auf die Daten zugreifen, hauptsächlich benutze er die Video-Sequenzen aber zur Vor- und Nachbereitung. "Das Tool ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken", sagt er. Weltweit sind allein die Finnen ähnlich gut aufgestellt.

Vielleicht bringt der technische Fortschritt einen entscheidenden Vorteil bei den Paralympics. Da ist ein deutsches Team erstmals seit Athen 2004 wieder dabei. Ziel ist das Viertelfinale. Danach wird gefeiert.

Quelle: Tagesspiegel / Paralympics Zeitung / Tillmann Bauer (20 Jahre)