Rollstuhlbasketballer Lukas Gloßner: „Werden die größten Spiele meiner Karriere“
Lukas Gloßner hat sich mit 24 Jahren seinen Traum erfüllt: Der Erlangener ist mit der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft bei den Paralympics in Paris dabei. Im Höhentrainingslager im italienischen Livigno erzählt der Lowpointer, welche Rolle einer Ärztin nach seinem Unfall 2016 zukommt, wie ein besonderer Erasmus-Aufenthalt in Bilbao ihn weitergebracht hat und warum die deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft keine Medaillenziele formuliert.
„Die Klamotten, die Eröffnungsfeier – alles, was ich mir je vorgestellt habe, jetzt selbst zu erleben, ist schon cool“, freut sich Rollstuhlbasketballer Lukas Gloßner nach dreieinhalb Wochen Höhentrainingslager im italienischen Livigno auf die Paralympics: „Meine Familie kann kommen, viele Freunde haben sich angekündigt – das wird ein Riesen-Event.“ Dafür wird auch der Wunsch hinten angestellt, dass er nach dem Mammut-Camp mit täglich ein bis zwei Einheiten gerne mal wieder einen Tag „selbst bestimmen“ und im eigenen Bett schlafen würde.
Mit Vize-Weltmeister Großbritannien (29. August, 10.30 Uhr), Gastgeber Frankreich (31. August, 21.30 Uhr) und den dreimaligen Paralympics-Siegern aus Kanada (2. September, 16 Uhr) warten schon in der Vorrunde starke Gegner auf das Team von Bundestrainer Michael Engel. Zuvor stand beim Nations Cup in Köln noch die Generalprobe an, die Deutschland auf Platz zwei hinter den Niederlanden beendete. Die Vorfreude auf die Paralympics überstrahlt schon jetzt alles: „Ich habe gelesen, dass die Bercy Arena in Paris bis zu 12.500 Plätze hat. Dort zu stehen und vielleicht gegen Frankreich zu spielen – das werden die größten Spiele meiner Karriere.“
„Im schlimmsten Fall hätte ich auch ganz raus sein können“
Dass die deutschen Rollstuhlbasketballer und damit auch Gloßner überhaupt dabei sind, war lange nicht sicher. Mit Rang acht bei der WM und Platz vier bei der EM wurde das direkte Ticket für die Spiele noch verpasst. Erst beim paralympischen Qualifikationsturnier im französischen Antibes im April wurde die Qualifikation geschafft – ausgerechnet im entscheidenden Duell mit den Iranern, gegen die die Deutschen bei der WM noch im Viertelfinale ausgeschieden waren. „Vor denen hatten wir mit am meisten Respekt, deshalb waren aber auch alle so hochkonzentriert und ready von der ersten Minute an. Damals in Südfrankreich mit den Jungs zu sein und zu wissen: Wir sind dabei – da war ich einfach total erleichtert, dass wir das Ticket haben.“
Auch für Gloßner selbst hat sich in dem Jahr viel verändert. War der 24-Jährige zuvor bei WM und EM eher in einer „Beobachterrolle“ als Ergänzungsspieler, setzt der neue Bundestrainer Michael Engel voll auf ihn und Tobias Hell auf der 1,0-Punkte-Position. „Ich habe mir damals viele Gedanken gemacht. Im schlimmsten Fall hätte ich bei einem Trainerwechsel ja auch ganz raus sein können“, sagt Gloßner, der schon vor den Paralympics 2021 im erweiterten Kader war, dann den Sprung in das finale Aufgebot aber verpasst hatte: „Deshalb habe ich immer nur gedacht: Zieh durch, um dir den großen Traum zu verwirklichen.“
Nach den Paralympics folgt der Wechsel nach Thüringen
Als er zurückkam, lag auch ein Angebot der RSB Thuringia Bulls auf dem Tisch, um weiterhin auf dem allerhöchsten Niveau zu spielen – allerdings erst nach dem Zeitpunkt, als er bei seinem Verein, den RBB Iguanas aus München, schon zugesagt hatte: „Da war mir mein Wort wichtig, dass ich gegeben hatte.“ Also schrieb Gloßner seine Bachelorarbeit, zog mit Freundin Lilly Sellak zusammen, die mit den deutschen Rollstuhlbasketballerinnen in Paris auch ihr Paralympics-Debüt geben wird, und stieg in Vollzeit im Unternehmen ein, um auf dualem Wege sein Bachelorstudium zu beenden.
„Das war alles im vergangenen Winter. Da bin ich von München immer zwei Stunden nach Erlangen gefahren, war um 1 Uhr nachts im Bett und musste um 7 Uhr früh wieder losfahren. Das war eine harte Zeit, aber die richtige Entscheidung. Und ich bin froh, dass sich sportlich die Chance mit den Bulls noch mal ergeben hat.“ Denn der mehrfache deutsche Meister und Champions-Cup-Sieger klopfte erneut an – sodass Gloßner nach den Paralympics nach Thüringen ziehen wird und parallel ein Master-Studium im Bereich Digital Business anstrebt.
Ziele bei den Paralympics: Fitteste Mannschaft sein und beste Defense spielen
Davor stehen aber die Paralympics im Mittelpunkt. Inspiration gab es von den deutschen (3x3-)Basketballerinnen und Basketballern zuhauf in den Tagen der Olympischen Spiele. „Das war der positive Aspekt im Trainingscamp, es lief den ganzen Tag Olympia, wir haben als Team jedes Spiel verfolgt. Da hat man beim Basketball gesehen, dass man mit einer guten Defense weit kommen kann. Und dass die Konkurrenz riesig ist, egal in welcher Sportart.“ Letzteres führt dazu, dass die Deutschen sich auch keine Medaillenziele gesteckt haben. „Das ist ein Stück weit unnötig bei so einem Weltklasse-Feld. Du kannst ein Top-Turnier spielen und Achter werden, kannst aber auch eine Medaille gewinnen. Das wäre geil, aber das steht alles erstmal vor uns.“ Deshalb lauten die Ziele, als fitteste Mannschaft in Paris anzutreten – der Grundstein sollte in Livigno gelegt worden sein – und die beste Defense zu spielen.
Sein persönliches Ziel, es zu den Paralympics zu schaffen, hat Gloßner mit der Eröffnungsfeier bereits erreicht. Und dann wird er auch an die Ärztin denken, die ihn nach seinem Motorradunfall 2016 in der Schön-Klinik in Vogtareuth aufgenommen hat. „Sie hat gesagt: In ein paar Jahren kannst du zu den Paralympics. Ich dachte: Sie will mich halt aufmuntern. Aber dass ich mich jetzt wirklich da hingearbeitet habe und auch alles andere in meinem Leben so gut läuft – das ist schon etwas, auf das ich sehr stolz bin. Ich habe keinen Kontakt mehr zu der Ärztin, aber ich habe mir vorgenommen, eine Autogrammkarte hinzuschicken.“
Text: Nico Feißt / DBS