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#Unvergessen – Heidi Kirste, Sydney 2000

Sie haben die deutsche Mannschaft bei den Eröffnungsfeiern der Paralympischen Spiele angeführt – die Fahnenträgerinnen und Fahnenträger der letzten 20 Jahre haben ganz besondere Erinnerungen an die Paralympics. Doch was machen sie eigentlichen heute, haben sie noch Berührungspunkte zum Para Sport und was war der schönste Moment im Leistungssport? Das erfahrt ihr in der Serie #Unvergessen.
#Unvergessen – Heidi Kirste, Sydney 2000
09. Juni 2020

Welche Erinnerungen verbindest du mit der Eröffnungsfeier?

Langes Warten in den Gängen des Stadions, Ungeduld, Spannung – und dann dieses unglaubliche Gefühl, endlich ins vollbesetzte Stadion mit jubelnden Menschenmassen zu kommen. Es war große Freude und Stolz zugleich. Ich war als Fahnenträgerin die erste im Stadion und sofort mittendrin, ein Teil der Paralympics.


Wie ist dein Leben nach dem Leistungssport?

Ich war noch viele Jahre als Trainerin tätig, habe die Nationalmannschaft der U25-Juniorinnen im Rollstuhlbasketball aufgebaut und war 2011 Cheftrainerin bei der ersten U25-WM in Kanada. Auch in meinem Heimatverein RSC Hamburg bzw. Hamburger SV habe ich mich sehr intensiv um Nachwuchsförderung gekümmert. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich mein Engagement in den letzten Jahren jedoch zurückschrauben.


Was vermisst du am Leistungssport und was nicht?

Ich war über 20 Jahre Nationalspielerin, da habe ich im Leistungssport alles erlebt. Wenn ich an tolle Spielmomente denke, würde ich diese Spannung und Spielfreude gerne nochmal erleben. Einfach den Spaß am Spiel, gelungene Spielkombinationen, spannende Spiele.


Welche Verbindungen zum Para Sport hast du heute noch?

Ich bin noch als Klassifiziererin im Rollstuhlbasketball tätig und unterstütze den Verband in der Übungsleiterausbildung.


Wie beurteilst du die Entwicklung des Para Sports nach deiner aktiven Zeit?

Die zunehmende Professionalisierung und die mediale Präsenz sind super. Solche Trainingsbedingungen und die finanzielle Unterstützung, wie es sie heute gibt, hätte ich mir in meiner aktiven Zeit auch gewünscht. Im Rollstuhlbasketball geht mir die Professionalisierung jedoch teilweise zu weit: In der Bundesliga spielen sehr viele ausländische Spieler, so dass die Förderung des eigenen Nachwuchses zu kurz kommt. Die Dominanz von Spielern mit leichteren Behinderungen, die im Alltag gar nicht auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sind, ist mir zu groß. Rollstuhlbasketball ist ein toller und rundum integrativer Sport. Durch die Klassifizierung im Punktesystem können viele Behinderungsarten, Damen und Herren und sogar Jugendliche und Erwachsene gemeinsam in einer Mannschaft spielen. Durch die Stellschraube Klassifizierung im Punktesystem könnte man den „echten“ Rollstuhlfahrern – also Spielern mit schwereren Behinderungen, für die Rollstuhlbasketball „erfunden“ wurde – wieder mehr Präsenz und Spielfreude geben.


Was war rückblickend dein schönster Para Sport-Moment?

Der Einmarsch als Fahnenträgerin ins Olympiastadion von Sydney gehört mit Sicherheit dazu, ebenso wie der Gewinn der Goldmedaille bei den Paralympics 1984. Doch auch besondere Spiele mit Überraschungssiegen, mannschaftstaktischen Meisterleistungen und herausragenden Einzelleistungen wie das WM-Finale 1990 (Silber), der Gewinn von sieben deutschen Meisterschaften, teils spektakulär, bleiben in Erinnerung. Auch „kleinere“ Spiele, z. B. ein dramatisches Match in der Oberliga, bei dem ich als Trainerin meine ganz junge Mannschaft gegen ein etabliertes Team zum Sieg in der Verlängerung gecoacht habe, werde ich nicht vergessen. Einfach Spiele, in denen alles gepasst hat.