Paralympisch leben

Jens Albrecht: „Alles ein Stück weit härter. Physischer“

Jens Albrecht: „Alles ein Stück weit härter. Physischer“
04. Juli 2014


Newcomer Jens Albrecht, Hoffnungsträger der deutschen Rollstuhl-Basketballer, gibt sein WM-Debüt bei den Senioren. Den Trip ins ferne Incheon nennt er einen „Schritt nach Rio“. Seine Fachholschul-Prüfungen darf er nachholen, um in Südkorea dabei sein zu können.

Das Abenteuer startete schon letzten Sonntag. Mit dem Flug nach Incheon, Südkorea. Das andere Ende der Welt. Und eine neue Welt. Ein neuer Anfang. Für Jens Albrecht trifft das allemal zu. Entsprechend neugierig ist der 23-Jährige. Und voller Vorfreude zugleich. Erstmals gehört er schließlich dem A-Kader der deutschen Rollstuhl-Basketball-Nationalmannschaft an, die in Incheon an der Weltmeisterschaft teilnimmt. Am 5. Juli steigt das Auftaktspiel für die Deutschen gegen Italien. „Die Woche vorher vor Ort  zum Eingewöhnen und trainieren war schon wichtig“, sagt Albrecht, „ich freue mich, dass es jetzt endlich losgeht.“

Ein Ziel seiner Karriere hat er damit bereits erreicht, das nächste aber schon fest vor Augen: Rio 2016. Der Pointguard vom RSB Team Thüringen darf und muss voraus schauen. Er ist einer der Hoffnungsträger des Deutschen Rollstuhl-Sportverbands für die Zukunft. Gemeinsam mit Thomas Böhme und Kai Möller stand er in dem Team, das 2013 in der Türkei erstmals für Deutschland die U23-Weltmeisterschaft gewonnen hat und dafür zur Behindertensport-Mannschaft des Jahres gewählt wurde. Jetzt sind die drei „aufgestiegen“, der Generationswechsel im Nationalteam hat begonnen. Platz sechs bei der Heim-Europameisterschaft in Frankfurt im letzten Jahr war auch eher eine Enttäuschung, der Schnitt mit Blick auf die Paralympics in Rio 2016 deshalb folgerichtig. „Dass wir drei uns lange und gut kennen, ist natürlich ein Vorteil bei dem Schritt zu den Senioren“, sagt Albrecht. „Es gab einige Veränderungen in der Mannschaft gegenüber letztem Jahr. Sie ist schon deutlich verjüngt worden.“

Um den Sprung in das Team zu schaffen, musste der Student der „sozialen Arbeit“ im zweiten Semester an der Fachhochschule Erfurt im Frühjahr an einem Sichtungslehrgang teilnehmen. Harte Auslese. Nur zwölf von 20 Kandidaten konnte Bundestrainer Nicolai Zeltinger schließlich nominieren. „Es war echt ein gutes Gefühl, als ich es geschafft hatte“, sagt Albrecht. „Schnelligkeit“ gibt er als eine seiner persönlichen Stärken an, die Erfahrung muss noch kommen: „Es geht bei den Senioren in allen Bereichen ein Stück weit härter zu, das Spiel ist viel physischer“, sagt er, „technisch ist da kein Unterschied zu den Junioren.“

Schon als Kind hat er immer mit Bällen rum gespielt, „da gab es nichts anderes für mich.“ Basketball hat er dann mit 13 Jahren für sich entdeckt. Da er von Geburt an gehbehindert war, kam er eben auch schon in jungen Jahren mit dem Rollstuhlsport in Berührung, das ist ja nicht die Regel. Sechsmal in der Woche trainiert er, jeweils drei bis vier Stunden am Tag einschließlich Krafttraining, Behandlung durch den Physio und eben spezifisches Basketballtraining. Es ist Leistungssport. Albrecht hat das Glück, dass er von der Fachhochschule in Erfurt bestens unterstützt wird mit Freistellungen und Ähnlichem. Wie gerade jetzt wieder. „Wenn ich in Korea bei der WM bin, ist eigentlich Prüfungszeit, aber ich darf meine Arbeiten nachschreiben.“

Eine Woche vor der Abreise hat das Team noch einen letzten Lehrgang in Gießen absolviert und dabei mit dem 73:49-Erfolg über Spanien eine beeindruckende Generalprobe feiern. Sechs Punkte steuerte Jens Albrecht bei. „Wir haben uns gegen sehr gute Mannschaften aus Europa vorbereitet, wir sind in der Zeit als Team sehr gut zusammengewachsen“, meint der Nordhesse aus Bebra.

Neben Italien warten Australien (6.7.) und Schweden (7.7) in der Vorrunde auf die  deutschen Männer, die erst zum dritten Mal an einer WM teilnehmen. Über Chancen will Albrecht deshalb nicht spekulieren. „Es sind viele starke Mannschaften im Turnier dabei. Das Viertelfinale wäre toll. Und dann schauen wir mal.“ Nein, bloß keinen Druck machen. Die WM als Aufbau sehen, für die EM im kommenden Jahr, wo dann die Tickets für die Paralympics vergeben werden. DAS ist das größte Ziel, für die Mannschaft und auch für Jens Albrecht. „Die WM“, sagt er, „ist letztlich nur ein Schritt nach Rio“.