Paralympisch leben

Spitzensport und Job - Athleten über Doppelbelastung

Spitzensport und Job - Athleten über Doppelbelastung
09. Dezember 2015

Sie sind wie kleine Panzer, diese speziellen Rollstühle. Und wenn sie dann ordentlich gegeneinanderknallen, dann mag Maik Baumann das ganz besonders. Er spielt Rollstuhlrugby - und das mit voller Leidenschaft. Arbeitsalltag, intensives Training und am Wochenende noch Wettkämpfe - die berufliche Karriere mit dem Spitzensport zu vereinbaren, ist anstrengend, auch im Behindertensport. Der 35-jährige Spieler der deutschen Nationalmannschaft weiß, wie schwierig die Doppelbelastung oft ist.

Sein Arbeitgeber, die Bundespolizeidirektion in Fuldatal, ist recht flexibel. "Für Turniere werde ich freigestellt", sagt er. Bloß für die Trainingsphasen muss er sich zusätzlich Urlaub nehmen. Eigentlich brachte ihn erst der Sport zur Polizei, weil es hier möglich ist, eine vom Bundesministerium des Inneren (BMI) geförderte duale Karriere zu absolvieren - eine außergewöhnliche Chance.

Die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt hat sich in Deutschland verbessert. Laut einer Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die Arbeitslosenquote zwischen 2006 und 2011 von 17,7 auf 14,8 Prozent gesunken. Vor allem körperlich behinderte Menschen arbeiten immer öfter auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt, während Menschen mit geistiger Behinderung zu mehr als 77 Prozent in separaten Werkstätten tätig sind.

Bis zu seinem Unfall 1996 war Maik Baumann Zimmermann, danach schulte er aufgrund seiner Behinderung um und arbeitet heute ausschließlich in der Verwaltung. Er trainiert drei bis fünf Mal in der Woche allein, da es in der Nähe keine Mannschaft gibt. Am Wochenende kommen Training und Turniere an verschiedenen Stützpunkten in Deutschland hinzu. Trotz des Stresses gibt er alles für seinen Sport. Nach seinem Unfall 1998 hatte sich Baumann während einer Kur zum ersten Mal damit beschäftigt.

Schon seit dem Jahr 2000 spielt Maik Baumann Rollstuhlrugby und konnte in den vergangenen Jahren beobachten, wie der Sport immer populärer, aber auch immer schneller und professioneller wurde. Gerade versucht sich die Nationalmannschaft noch für die Paralympics im nächsten Jahr zu qualifizieren - schwierig, aber nicht unmöglich.

Auch Gesche Schünemann, zweifache Europameisterin im Rollstuhlbasketball und amtierende Goldmedaillengewinnerin bei den Paralympics 2012 in London, kennt das Problem, Sport und Arbeitsalltag zu koordinieren: Außerhalb der Nationalmannschaft ist sie für die Hamburger BG Baskets vom HSV aktiv. Das bedeutet in jeder Woche allein mehr als 15 Stunden Trainingszeit. Hinzu kommen die wöchentlichen Pflichtspiele; bei langen Auswärtsfahrten starte man bereits freitags und sei dann in der Regel für das komplette Wochenende unterwegs, sagt die 33-Jährige. "Es ist schwierig, einen Arbeitgeber zu finden, der eine solche Doppelbelastung überhaupt zulässt." Sie hat Glück, als studierte Marketing-Fachfrau ist sie vom HSV in dieser Abteilung angestellt. Bei einer notwendigen Freistellung für Wettkämpfe stößt sie auf deutlich mehr Verständnis. 2008, vor den Paralympics in Peking, musste eine ihrer Mitspielerinnen daheim bleiben, weil sie partout keinen Urlaub bekommen hatte. Trotz der ganzen Vorbereitung.

Das langfristige Ziel im Behindertensport ist die Professionalisierung - die Top-Athleten sollen sich voll und ganz auf ihre Disziplin konzentrieren können. Im Rollstuhlbasketball gehen die Niederlande und Kanada mit gutem Beispiel voran: indem sie Gehälter zahlen, die keinen zweiten Beruf mehr erfordern.

© Paralympics Zeitung