Paralympisch leben

Menschen treffen und begeistern - Gerd Schönfelder

Menschen treffen und begeistern - Gerd Schönfelder
10. Februar 2014

Er ist der erfolgreichste Athlet der Paralympischen Spiele: Gerd Schönfelder. Von 1992 bis 2010 gewann er bei sechs paralympischen Winterspielen 16-mal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze. Nach der WM 2011 in Sestriere beendete er mit dem 15. WM Titel  seine Karriere. Und was macht er nun?


Er hat überhaupt keinen Star-Glamour. Dafür ist er einfach zu nett. Wenn er mit Menschen spricht, dann funkeln seine grün-braunen Augen und er lacht dabei häufig wie ein Lausbub. Seine unkomplizierte Art macht Eindruck. Er ist ein „Humanizer“ – einer, der die Menschen begeistert, weil sie merken, dass er sein Herz auf dem rechten Fleck trägt. Dabei will er doch nur, dass die Menschen in seiner oberpfälzischen Heimat über ihn sagen: „Der Gerd ist immer einer von uns geblieben.“

Vielleicht ist seine bescheidene und positive Grundhaltung der Grund, warum er seit seinem „sportlichen Ruhestand“ genug zu tun hat: Er ist Honorartrainer der Behinderten Ski-Nationalmannschaft, Mitglied im Gemeinderat von Kulmain, Abgeordneter im Kreistag von Tirschenreuth, Markenbotschafter für Audi und hält Vorträge in Schulen, Unternehmen und Vereinen. Die Menschen, die Schönfelder trifft, hören ihm zu und sind begeistert von seiner Lebensgeschichte. Und die ist außergewöhnlich: Er ist 19 Jahre alt, als er seinen rechten Arm verliert. Nach der Arbeit will der Elektrotechniker in einen anfahrenden Zug zusteigen, rutscht ab, gerät zwischen Waggon und Bahnsteig und wird mitgeschleift. Er überlebt. Aber sein rechter Arm und vier Finger der linken Hand müssen amputiert werden. Fünf Monate nach dem Unfall steht der ehemalige bayerische Jugendmeister wieder auf Skiern. Drei Jahre später gewinnt er in Albertville seine erste paralympische Goldmedaille.

Mit dem Unfall vor 24 Jahren hadert er nicht mehr. Doch der Weg zurück in die Öffentlichkeit war nicht leicht. Schönfelder trug sogar eine Prothese, um nicht aufzufallen. „Aber mich hat das Ding gestört, das war ein Fremdkörper ohne Funktion. Deswegen habe ich sie ziemlich schnell wieder abgelegt. Letztendlich fühlte ich mich ohne Prothese freier und auch nicht mehr behindert. So lernte ich auch mit der dann offensichtlichen Behinderung umzugehen und diese auch zu akzeptieren. “ Heute seien insbesondere die modernen Beinprothesen so gut, dass der Träger relativ schnell wieder in seinen gewohnten Alltag zurückkehren kann. Damit ist es möglich die Beeinträchtigung teilweise zu verstecken. Das sei ein großes Problem für den Behindertensport, so Schönfelder. „Wenn du dich nach einem schweren Unfall nicht vollends mit deiner Behinderung auseinander setzen musst, weil die Prothese so gut funktioniert, dann wirst du so schnell keinen Behindertensport betreiben, und dich damit offiziell als „behindert“ outen.“ Schönfelder aber muss das und stellt sich schnell auf sein Handicap ein. Der geborene Rechtshänder schreibt seit seinem Unfall mit links. „Was bleibt dir sonst auch anderes übrig? Ich mach’ jetzt halt alles mit links.;-)“ Dennoch fühle er sich nicht behindert. „Behindert ist man nur, wenn man sich einschränken lässt. Wenn du alles machst, was du machen willst, bist du nicht behindert.“

Unternehmen wie Audi oder die Deutsche Telekom laden ihn inzwischen zu Vorträgen ein. Der paralympische Champion soll dann Mitarbeitern und Führungskräften erzählen, wie man positiv auf Herausforderungen im Leben und im Beruf  reagiert. „Ich bin aber kein Motivationstrainer“, sagt Schönfelder, „meine Lebensgeschichte soll den Menschen lediglich zeigen, dass man fast alles im Leben erreichen kann, wenn die positive Einstellung vorhanden ist.“ Das hat auch die Jugendspieler des FC Bayern München beeindruckt. Der Tag in dem Jugendinternat an der Säbener Straße war für den Oberpfälzer ein großes Erlebnis: „Ich bin nämlich Bayernfan seit meiner Geburt.“

Schönfelder ist nicht nur Fußballfan, sondern selbst ein sehr passabler Fußballer. Bereits als Kind kickte er gegen den Ball und für seinen Heimatverein, den SV Kulmain, spielte er sogar in der Bezirksoberliga. Noch heute ist er aktiv: entweder für die Kulmainer Altherren oder für den FC Sternstunde, eine Benefizmannschaft des Bayerischen Rundfunks. „Das ist eine kunterbunte Truppe“, erzählt Schönfelder, „sie besteht aus aktiven und ehemaligen Sportgrößen wie Sven Hannawald oder Michael Wiesinger, Schauspielern und Moderatoren wie Markus Othmer.“ Zehnmal im Jahr treffen sich die prominenten Hobbykicker und reisen durch Bayern, um Geld für Kinder in Not zu sammeln. Schönfelder: „Ich spiele dann meistens im offensiven Mittelfeld, weil das laufen schon meine Stärke ist“ Das liegt auch daran, dass er auch nach dem Ende seiner aktiven Sportkarriere immer noch enormen Spaß am Sport hat: „Ich spiele neben Fußball noch Tennis und Golf, gehe schwimmen, skate Inliner und fahre Mountainbike und Rennrad. Demnächst würde ich gern Kitesurfen lernen und vielleicht auch Kajakfahren. Denn es gibt Boote, die man mit den Füßen antreiben kann.“

Schönfelder ist immer noch topfit, doch mit dem Leistungssport hat er komplett abgeschlossen. Ein Comeback wird es für ihn nicht geben. „Das hat sich erledigt. Nach meinem letzten Rennen bei der WM 2011 habe ich gedacht: ‚Jetzt reicht’s’“, erzählt er. „Ich habe gemerkt, dass mir inzwischen der Ehrgeiz fehlt. Ich werde nicht mehr besser.“ Er genießt sein Karriereende, weil er jetzt mehr Zeit für seine Ehefrau, seine Tochter Emilia und seinen Sohn Leopold hat.

Dennoch wird man ihn bei den Paralympischen Spielen in Sotschi wiedersehen. Denn Schönfelder wird ab dem 7. März 2014 für die ARD als TV-Experte arbeiten und die Wettbewerbe mit kommentieren. Schalten Sie doch das Erste Programm ein. Vielleicht begeistert auch Sie die positive und bescheidene Art des erfolgreichsten Athleten der Paralympischen Spiele.