Paralympisch leben

Noch 100 Tage: „Wir wollen eine geile Show bieten“

Noch 100 Tage: „Wir wollen eine geile Show bieten“
Foto: Felix Streng Ralf Kuckuck / DBS
14. Mai 2018

Felix Streng war einer der erfolgreichsten Newcomer der Paralympics in Rio de Janeiro. Gold mit der Staffel, dazu Bronze über 100 Meter und im Weitsprung. Die Premiere bei den Spielen hätte kaum erfolgreicher laufen können. Doch nur ein Jahr später verpasste der Leichtathlet des TSV Bayer 04 Leverkusen die WM in London. Eine Entzündung an der Achillessehne und ein Infekt stoppten den Hochveranlagten. Inzwischen ist Felix Streng zurück auf der Bahn – und fiebert der Para Leichtathletik-EM in Berlin in 100 Tagen entgegen.

Vor den ersten Wettkämpfen der Freiluft-Saison wird noch fleißig an den Prothesen gearbeitet. Gemeinsam mit einem Orthopädietechnikermeister werden unter der Sprint- und der Sprungprothese neue Sohlen angebracht. Es wird gefachsimpelt, über die exakte Positionierung und die Auswirkungen beispielsweise. Bis ins kleinste Detail, fast schon nach Perfektion strebend. Nur wer bestmöglich vorbereitet ist, kann richtig angreifen. Und angreifen will Felix Streng in diesem Jahr wieder – so wie er es in Rio getan hat.

„Nach Rio war ich der glücklichste Mensch der Welt“

Bei der Paralympics-Premiere zeigte er der Weltelite schon bei seinem ersten Start, dass er ab sofort dazu gehören will. Bronze über 100 Meter zum Auftakt – was für ein cooler Typ. Zumal er bei der WM 2015 das Treppchen als Vierter und Fünfter noch verfehlte. In Rio ließ der Coburger Gold mit der Staffel und Bronze im Weitsprung folgen. Eine herausragende Ausbeute. „Nach Rio war ich der glücklichste Mensch der Welt. Es war ein Riesenerlebnis und hat mega Spaß gemacht, einfach überragend“, sprudelt es auch gut anderthalb Jahre später aus ihm heraus.

Doch bevor Streng diese Emotionen erleben durfte, musste er sich mächtig quälen und viel investieren. „Ich war häufig den ganzen Tag im Büro und hatte dazu zehn Trainingseinheiten pro Woche. Nach Rio bin ich erstmal ziemlich auf dem Zahnfleisch gegangen. Es war eine sehr intensive Zeit“, berichtet der 23-jährige Leichtathlet des TSV Bayer 04 Leverkusen, der ohne rechten Unterschenkel zur Welt kam. Inzwischen hat er seine Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement erfolgreich absolviert und studiert im ersten Semester BWL. „Die Tage in der Uni sind ziemlich lang“, sagt Felix Streng. Fleißig trainiert wird dennoch. Vom Hörsaal geht’s auf die Laufbahn – oder umgekehrt. Streng trainiert bei Hans-Jörg Thomaskamp in einer Gruppe unter anderem mit Mateusz Przybylko, Aleixo Platini Menga und Jennifer Montag.

Nachdem die vergangene Saison früher beendet war als geplant, ist der Coburger nun umso motivierter. 2017 verpasste er die WM im Londoner Olympiastadion. Zu einer entzündeten Achillessehne gesellte sich noch ein viraler Infekt, Streng verlor in kurzer Zeit zehn Kilogramm Körpergewicht. „Das war keine gute Kombination. Die WM habe ich dann von zuhause aus am Livestream verfolgt. Für mich war es ein richtig bitteres Jahr. Ich hatte viel investiert, war gut drauf – und dann das“, sagt der Sprinter und Weitspringer, der 2012 innerhalb von nur drei Tagen Bedenkzeit die Entscheidung traf, das Elternhaus und seine Heimat Coburg zu verlassen und einen Platz im Leverkusener Sportinternat anzunehmen. „Schuld“ war eine Seminararbeit für die Schule über den Behindertensport.

 

Die Ziele bei der Heim-EM: Schnell laufen, weit springen und Medaillen gewinnen

Nach dem Rio-Triumph folgte also das WM-Aus. Doch den Kopf ließ Felix Streng nicht hängen. Dann kämpfte er sich zurück auf die Bahn. „Das Training läuft gut, ich habe Spaß und fühle mich fit“, betont der 23-Jährige. Ein Ausrufezeichen setzte er bereits in der Hallen-Saison, als er seine persönliche Bestweite im Weitsprung auf 7,41 Meter schraubte. Noch ist ihm Markus Rehm in der Startklasse der Unterschenkelamputierten mit seinem Fabel-Weltrekord 99 Zentimeter voraus. Doch Streng pirscht sich langsam heran. „Ich war zu diesem Zeitpunkt selbst überrascht über die Weite. Es lief schon richtig gut“, erklärt Streng.

Das macht Mut für die Para Leichtathletik-Europameisterschaften in der Heimat. „Ich freue mich auf Berlin und will dort auf den Punkt fit sein.“ Befragt nach seinen Zielen sagt er mit einem verschmitzten Grinsen: „Schnell laufen, weit springen und Medaillen gewinnen.“ Und zudem Werbung für den Para-Sport machen. „Wir hoffen, dass das Stadion so voll wie möglich wird und wollen eine geile Show bieten – damit diejenigen, die nicht kommen, anschließend bemerken, dass sie etwas verpasst haben.“