Merle Menje ist die Athletin der Stunde bei der Para Leichtathletik-WM im japanischen Kobe: Nach Silber über 5000 Meter und Gold über 800 Meter holte die 19-jährige Rennrollstuhlfahrerin am Dienstag Bronze über 1500 Meter. Jule Roß knackte über 400 Meter einen 35 Jahre alten deutschen Rekord und sprintete ins Finale. Speerwerferin Martina Willing wurde Sechste.
Einen kompletten Medaillensatz bei einer Weltmeisterschaft? „Das ist total crazy, es ist definitiv mehr, als ich erwartet habe“, sagt Merle Menje, nachdem die Athletin vom Stadt-Turnverein Singen in 3:34,19 Minuten Bronze in der Klasse T54 hinter den Chinesinnen Zhaoqian Zhou und Yajuan Tian gewonnen hatte: „Ich wusste, dass ich ganz gut drauf bin. Mir war es einfach wichtig, dass ich Spaß habe in dem Rennen und das Beste aus mir herausholen kann und das ist mir gut gelungen.“ Relativ früh musste Menje, die in der Schweiz bei Paul Odermatt trainiert, wieder die Führungsarbeit übernehmen, weil ihre Konkurrentinnen lauerten – schließlich wussten sie nach dem Start-Ziel-Sieg über 800 Meter um die aktuelle Stärke der Doppel-Europameisterin von 2021, die in Gottmadingen lebt. Am Ende zogen beide Chinesinnen vorbei, die am Sonntag über 800 Meter noch hinter Weltmeisterin Menje ins Ziel gekommen waren: „Ich muss noch mal in die Analyse gehen und mir das von außen anschauen, auch mit dem Aspekt, dass ich die ganze Zeit von vorne gearbeitet habe. Ich war sicherlich nicht mehr ganz so frisch wie in den vergangenen drei Tagen, aber trotzdem noch die Medaille – ich bin sehr zufrieden damit.“
Ein Lob gab es auch von der Bundestrainerin, die darauf hinweist, dass Menje sich derzeit eigentlich noch an ihren neuen Rennrollstuhl gewöhnen muss: „Die beiden Chinesinnen haben das taktisch brillant gelöst, aber Merle hat sich sehr gut verhalten und die Britin in Schach gehalten, die heute auch in der Lage war, eine Medaille zu machen“, sagte Marion Peters mit Blick auf die viertplatzierte Melanie Woods: „Das war ziemlich stark und rundet das Gesamtbild ab, dass sie jetzt angekommen ist. Dass sie mutig und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen im Rennen. Dass sie von vorne fahren möchte und sich nicht ängstlich hinten reinhängt. Für ihr junges Alter ist sie schon sehr erfahren und entwickelt sich jetzt nach und nach zu einer Führungs- und Siegfahrerin. Es zahlt sich total aus, dass sie sich nach dem Abitur voll auf die Paralympics fokussiert und erst danach ihr Studium beginnt. Das wird richtig spannend, wenn die anderen Top-Fahrerinnen aus der Schweiz und den USA zu den Paralympics wieder dabei sind.“
Jule Roß mit deutschem Rekord ins Finale
Jule Roß hatte zuvor schon laut gejubelt: Mit 59,64 Sekunden über 400 Meter war die 17 Jahre junge Athletin vom TSV Bayer 04 Leverkusen, die von Kira Biesenbach und Erik Schneider trainiert wird, nicht nur zu einer persönlichen Bestzeit gelaufen, sondern knackte auch den über 35 Jahre alten deutschen Rekord in der Klasse T47, den Petra Quade (damals Buddelmeyer) bei den Paralympics 1988 in Seoul aufgestellt hatte.
Mit dieser Top-Zeit – nur 0,55 Sekunden fehlen ihr zur Paralympics-Norm – kam sie auch als Zweite ihres Laufs und Gesamt-Dritte ins Finale, das am Mittwoch um 10 Uhr japanischer Zeit (3 Uhr in Deutschland) stattfindet: „Ich bin sehr happy, dass es so gut gelaufen ist. Das erste Mal unter 60 Sekunden, das war auch ein Ziel hier und dass ich morgen noch mal antreten darf im Finale, freut mich umso mehr. Ich hoffe, dass ich die Leistung von heute noch mal zeigen kann. Mit der ganzen Menschenmenge hier wurde man noch mal ein bisschen mehr gepusht.“
Die sitzende Speerwerferin Martina Willing kam mit 19,63 Metern zwar auf ihre Saisonbestweite, aber nicht über den sechsten Platz hinaus. „Die Weite war okay, nicht mehr und nicht weniger“, sagte die Athletin vom BPRSV aus Cottbus, die jeweils drei Mal Weltmeisterin und Paralympics-Siegerin mit dem Speer wurde: „Vorne mitzumischen ist unmöglich. Die Jugend ist nicht nur im Kommen, sie ist da und ich habe mich trotzdem gefreut, dass ich nominiert wurde und zeigen konnte, was ich noch drauf habe, auch wenn ich mir mehr erhofft hatte.“
Nach fünf von neun Wettkampftagen im Universiade Memorial Stadium im japanischen Kobe hat das deutsche Team von Bundestrainerin Marion Peters drei Gold-, eine Silber- und eine Bronzemedaille durch Merle Menje, Léon Schäfer und Niko Kappel auf dem Konto. Am Mittwoch steigt um 3 Uhr deutscher Zeit das 400-Meter-Finale mit Jule Roß, ab 3.32 Uhr stößt Mathias Schulze im Kugel-Finale und in der späten Session springen ab 11.21 Uhr deutscher Zeit Markus Rehm und Noah Bodelier um die Weitsprung-Medaillen. Zudem ist Max Marzillier ab 10.35 Uhr im Vorlauf über 400 Meter dran.
Weitere Informationen sowie die Kaderübersicht gibt es in unserem Vorbericht.
Text: Nico Feißt / DBS