Paralympics: Für die Deutsche Paralympische Mannschaft waren die Spiele in PyeongChang eine Erfolgsgeschichte, für die paralympische Bewegung war es der nächste Schritt
Ob Teilnehmer, Nationen, Zuschauer oder TV-Sendezeiten – die Paralympics im südkoreanischen PyeongChang waren in jeglicher Hinsicht Rekordspiele. Zu dieser Erfolgsgeschichte hat auch die Deutsche Paralympische Mannschaft mit 19 Medaillen sowie 23 Platzierungen auf den Rängen vier bis acht beigetragen. Dabei standen die Vorzeichen im Vorfeld nicht ausschließlich positiv.
Da waren besonders die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea, die noch im Herbst 2017 große Sorgenfalten hervorriefen, die Wetterkapriolen, die weite Entfernung, die Zeitverschiebung, durch die die Wettkämpfe zu deutscher Zeit mitten in der Nacht stattfanden – alles Punkte, die nicht für überschwängliche Vorfreude sorgten. Doch spätestens als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner und seine Frau Elke Büdenbender die Deutsche Paralympische Mannschaft am Frankfurter Flughafen mit den besten Wünschen nach Südkorea verabschiedeten, gerieten die Sorgen in den Hintergrund. Was in Südkorea folgte, waren die Winterspiele der Rekorde: 567 Athletinnen und Athleten aus 49 Nationen kämpften in 80 Entscheidungen in sechs Disziplinen um Medaillen – allesamt neue Bestwerte. Und es waren nicht die einzigen Marken, die geknackt wurden. 345.000 verkaufte Tickets und über 800 Journalisten bedeuteten ebenso neue Rekorde.
Eine starke Anführerin, deutsche Dominanz bei den Monoskifahrerinnen und ein Fluchbrecher
PyeongChang 2018 – es waren unerwartet stimmungsvolle Spiele mit bewegenden Momenten vor Tribünen, die häufig sogar besser gefüllt waren als bei den Olympischen Spielen. Den größten Anteil an dieser Erfolgsstory haben freilich die Athletinnen und Athleten mit ihren beeindruckenden Leistungen, ihren individuellen Geschichten und ihren Botschaften. Das deutsche Team jubelte über siebenmal Gold, achtmal Silber und viermal Bronze.
Angeführt von Fahnenträgerin Andrea Eskau, die im Para Biathlon und Para Langlauf stolze sechs Medaillen zu dieser hervorragenden Bilanz beisteuerte. Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber gewann zweimal Gold und einmal Silber und unterstrich damit ihre Ausnahmestellung im Para-Sport. Es waren nicht die einzigen Goldmedaillen, die in der Startklasse Damen sitzend nach Deutschland gingen. Anna-Lena Forster erfüllte sich den Traum vom Paralympics-Sieg gleich doppelt und triumphierte nicht nur im Slalom sondern zuvor auch überraschend in der Super-Kombination. Ein fast schon historischer Erfolg gelang Martin Fleig mit seinem Sieg im Para Biathlon. Er war sozusagen der Fluchbrecher – und feierte das erste deutsche Gold eines männlichen Athleten bei Winterspielen seit Vancouver 2010.
Eine sensationelle Bilanz gelang Andrea Rothfuss bei den stehenden Damen: Fünf Starts, fünfmal Edelmetall. Zwar verpasste sie knapp ihren zweiten Paralympics-Sieg, doch vier Silber- und eine Bronzemedaille beweisen eine großartige Konstanz in allen Disziplinen. Über zweimal Bronze freute sich die sehbehinderte Para Biathletin Clara Klug mit ihrem Guide Martin Härtl bei der Paralympics-Premiere. Belohnt wurde das erfolgreiche Debüt mit der Ehre, bei der Schlussfeier die Fahne tragen zu dürfen. Groß war der Jubel auch bei der deutschen Langlauf-Staffel mit Andrea Eskau, Steffen Lehmker und Alexander Ehler, die mit Bronze das erste Staffel-Edelmetall seit 20 Jahren errangen. Chef de Mission Dr. Karl Quade resümiert: „Das sportliche Gesamtergebnis ist viel ausgeglichener als vor vier Jahren in Sotschi. Die Medaillen teilen sich auf mehr Nationen in der Spitze auf – und wir gehören dazu.“ Gebührend gefeiert wurden die Medaillen im stimmungsvollen Alpenhaus, das es erstmals mit Österreich und der Schweiz gab. Der gemeinsame Treffpunkt war ein voller Erfolg.
Dazu gab es 23 Platzierungen auf den Rängen vier bis acht – allen voran die sehbehinderte Skifahrerin Noemi Ristau mit ihrem Begleitläufer Lucien Gerkau, die das Podest jeweils zweimal als Vierte und zweimal als Fünfte nur knapp verpassten. Unter die besten Acht schaffte es auch die deutsche Rollstuhlcurling-Nationalmannschaft, die nach einem fulminanten Start ins Turnier fast sogar das Halbfinale erreicht hätte. Dennoch machte das Team um Skip Christiane Putzich Werbung für eine zuvor noch sehr unbekannte Sportart. So fieberte nicht nur die deutsche Delegation in Gangneung beim „Schach auf dem Eis“ in der Halle mit, sondern auch die TV-Zuschauer in Deutschland hatten ihre Vorliebe fürs Rollstuhlcurling entdeckt.
Erfolgreich, erfrischend und emotional: Die Begeisterung der Paralympics schwappte auch in die Heimat
Überhaupt sorgten die deutschen Journalisten vor Ort dafür, dass die Begeisterung rund um die Spiele und die Leistungen des deutschen Teams in die Heimat transportiert wurden. Ob im TV, Radio, Internet, in den Sozialen Medien oder Zeitungen – die Paralympics waren in Deutschland sehr präsent. Alleine ARD und ZDF berichteten über 65 Stunden in Sondersendungen – so viel wie noch nie zuvor bei Winterspielen. In der Spitze verfolgten teilweise bis zu drei Millionen Zuschauer die Highlightsendungen, auch im Radio wurde mit den Beiträgen ein Millionenpublikum erreicht. Die Athletinnen und Athleten verkörperten dabei die paralympischen Werte und präsentierten Deutschland vorbildlich: erfolgreich, erfrischend und emotional.
Auch deswegen sagt DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher: „Die Paralympischen Winterspiele in PyeongChang sind für die Deutsche Paralympische Mannschaft als Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen. Die Leistungen der Sportlerinnen und Sportler machen mich fröhlich und glücklich. Mit der Aufmerksamkeit können wir zufrieden sein. Es haben sehr viele Menschen mitgefiebert und die Daumen gedrückt.“ Die Paralympics in PyeongChang waren als Winterspiele der Rekorde nicht nur aus deutscher Sicht sportlich hervorragend, sondern gleichzeitig für die paralympische Bewegung der nächste Schritt nach vorne. Den immer größeren Stellenwert des Para-Sports in Deutschland hat auch Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, registriert. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Deutschland ist ein paralympisches Powerhaus. Es gibt 6000 Para-Vereine, die Bewegung ist sehr stark.“ Worte, die motivieren. Denn das soll auch künftig so bleiben – und weiter ausgebaut werden. Auch in den Phasen zwischen den Paralympics.