Erstmals sind in der Para Dressur gleich fünf Deutsche Meister gekürt worden: Im Rahmen der Pferd International in München verteidigten die WM-Reiterinnen und WM-Reiter Elke Philipp (Grade I), Regine Mispelkamp (Grade IV) und Steffen Zeibig (Grade III) erfolgreich ihre Titel. In Grade II feierte Heidemarie Dresing eine Titel-Premiere und in Grade IV kehrte Hannelore Brenner nach einjähriger „Gold-Pause“ an die Spitze zurück und wurde zum 16. Mal Deutsche Meisterin.
Erstmals seit 2006 war München-Riem Gastgeber der Deutschen Meisterschaft der Para Dressurreiter. „Wir sind sehr froh, auf einem so renommierten Turnier wie der Pferd International mit unserer DM zu Gast sein zu dürfen. Die Tribünen waren hier so voll wie noch nie bei Deutschen Meisterschaften“, freute sich Britta Bando, Equipechefin der deutschen Para Dressurreiter. „Wir fühlten uns in München wirklich sehr willkommen.“ Aufgrund der Boxenkapazitäten konnten allerdings nur 25 Paare eine Startgenehmigung erhalten. Sie machten in erstmals fünf Abteilungen die Meistertitel unter sich aus.
Grade I: Solo für Elke Philipp[nbsp]
Für einen bayerischen Heimsieg sorgte Elke Philipp aus Treuchtlingen. Für die 55-jährige Grade-I-Reiterin, die infolge einer eine Hirnhaut- und Kleinhirnentzündung an Tiefensensibilitäts- und Koordinationsstörungen leidet, ist es bereits der siebte Titel in Folge. Seit 2013 ist sie die Nummer eins nicht nur innerhalb ihres eigenen Behinderten-Grades, sondern auch in Grade II. Denn bis 2018 wurde der Titel in beiden Grades immer gemeinsam vergeben. Erst seit diesem Jahr gibt es zwei getrennte Wertungen. Dabei konnte Elke Philipp ihre Kür ganz entspannt angehen. Ihre beiden Mitbewerber waren in der ersten Wertungsprüfung unterhalb des erforderlichen Mindestergebnisses für die weitere DM-Teilnahme geblieben. Damit hatten die zweifache WM-Bronzemedaillengewinnerin von Tryon und ihr Oldenburger Hengst Fürst Sinclair (v. Fürstenball) die Goldmedaillen am Sonntag bereits vor ihrem Ritt in der Tasche. „Das habe ich erst gar nicht gewusst. Aber es war mir auch egal, weil ich immer mein Bestes gebe“, sagte Philipp. Dazu passt auch ihre neue Kürmusik: Simply the Best von Tina Turner. „Nach Mannheim haben wir uns überlegt, dass ich eine neue Kür brauche. Das haben wir auf den letzten Drücker noch hinbekommen“, erklärte die Reiterin. Bei der Musikzusammenstellung behilflich war Philipps Patensohn, der es sich neben anderen Familienmitgliedern nicht nehmen ließ, die Premiere live mitzuerleben. „In Bayern Deutsche Meisterschaft zu reiten und mich auch einmal in meiner Heimat präsentieren zu können, ist für mich etwas ganz Besonderes“, sagte die frisch gebackene Meisterin. Ihr Ergebnis: 70,417 Prozent in der ersten Wertung und 74,222 Prozent in der Kür, zusammen 144,639 Punkte. „Unabhängig davon, dass sie in Grade I die einzige Starterin in der Kür war, hat sich Elke einmal mehr als würdige Meisterin erwiesen“, sagte Bando.
Grade II: Hochzeit und ein Titel für Heidemarie Dresing
Komplett neu gemischt wurden die Karten in Grade II. Hier machte sich Heidemarie Dresing mit einem Endergebnis von 145,671 Punkten selbst das schönste Hochzeitsgeschenk. Vor sieben Jahren war die heute 63-jährige Architektin der Liebe wegen von Hagen nach Gütersloh gezogen, jetzt Mitte Mai („Nach Mannheim und vor der DM“) wurde kirchlich geheiratet. In den Starter- und Ergebnislisten wurde sie noch als Heidemarie Heidemann geführt. „Da ich nicht mehr im Regelsport reite, habe ich vergessen, das ändern zu lassen und habe dabei nicht an die Deutsche Meisterschaft gedacht“, sagte die neue Meisterin lachend. Mit dem routinierten Hannoveraner Responsible for me (v. Royal Blend) erzielte die an Multipler Sklerose erkrankte Reiterin bereits in der ersten Wertungsprüfungen 72,059. Für ihre Kür zur Musik von Simon [&] Garfunkel gab es 73,612 Prozent. „Früher war meine Musik manchmal etwas zu kompliziert, aber das kam jetzt sehr gut an“, sagte Dresing, die selbst mehrere Instrumente spielt, als Jugendliche an „Jugend musiziert“ teilgenommen und mit 60 Jahren noch das Klavierspielen begonnen hat. Im letzten Jahr konnte sie nicht an den DM teilnehmen, da ihr Pferd wegen einer Darmverschlingung für lange Zeit außer Gefecht war. „Ich bin sehr glücklich, dass sie das alles gut überstanden hat und nun wieder in den Sport zurückgefunden hat“, sagte sie.
Die Silbermedaille ging an Gianna Regenbrecht. Die 25-jährige Münsteraner Medizinstudentin ist seit einem Reitunfall vor fünf Jahren querschnittsgelähmt. In der Einlaufprüfung musste sich ihre westfälische Stute Selma Stromberg (v. Soliman de Hus) noch etwas an die Atmosphäre gewöhnen, in der ersten Wertungsprüfung startete das Paar dann durch und wurde mit 69,412 Prozent Zweite hinter Dresing. In der Kür knackten die beiden dann sogar die 70er-Marke (Gesamt 140.746). Auf dem Bronzerang landete die Vorjahres-Vizemeisterin in GradeI/II Martina Benzinger aus dem thüringischen Remda-Teichel mit dem bereits 18-jährigen Westfalen Frizzanto (v. Fidermark). Ihr Ergebnis: 137,706 Punkte.
Grade III: Fünfter Titel für Steffen Zeibig
Titelverteidigung geglückt, hieß es in Grade III. Nach 2009, 2015, 2016 und 2018 stand Steffen Zeibig aus Arnsdorf zum fünften Mal auf dem obersten Treppchen. Auch der Sachse konnte in beiden Prüfungen die 70er Marke überwinden, erzielte mit seiner Hannoveraner Rappstute Feel Good 72,892 Prozent in der ersten Wertung und 75,445 Prozent in der Kür und wurde mit 148,337 Punkten mit deutlichem Abstand Deutscher Meister seines Grades. "Die anderen Reiter waren auch stark. Die meisten haben aber neue Pferde, das hat es mir ein bisschen leichter gemacht.", sagte Zeibig. "Der DM-Titel ist aber auf jeden Fall ein toller Etappensieg, aber mein Jahresziel habe ich noch nicht erreicht: die Teilnahme an den Europameisterschaften", stellte er klar. Zur Vorbereitung darauf stehen für ihn als Nächstes zwei Regelturniere für ihn auf dem Programm. In zwei Wochen geht es zunächst auf das Gestüt Bonhomme in Werder, danach zu den Sächsischen Meisterschaften nach Burgstädt. "Im letzten Jahr konnte ich wegen Tryon nur an der ersten Wertungsprüfung daran teilnehmen", sagte Zeibig. Das will er jetzt nachholen: "Feel Good ist genau im richtigen Alter und kann das."
Auf dem zweiten Platz landete Melanie Wienand aus Osnabrück, die mit dem erst sechsjährigen Hannoveraner Lemon’y Loverboy ihren erfolgreichen Einstand bei Deutschen Para Meisterschaften gab. Insgesamt 135,298 Punkte sammelte die 39-jährige ehemalige Berufsreiterin, die 2011 bei einer Reitpferde-Auktion gestürzt war und dabei ein Schädelhirntrauma erlitten hatte, in beiden Wertungsprüfungen. Dritte wurde die Paralympics-Teilnehmerin von Rio, Claudia Schmidt (Darmstadt) mit ihrem neuen Pferd Watermill (133,068 Punkte).
Grade IV: Zurück an der Spitze: Hannelore Brenner
„Sie hat sich hier gezeigt, wie wir sie immer schon gesehen haben“, sagte eine strahlende Hannelore Brenner über ihre inzwischen neunjährige Rheinländer Fuchsstute Belissima M. Mit 72,033 Prozent in der ersten Wertung und 75,208 Prozent in der Kür (147,241 Punkte) sicherte sich die ehemalige Weltmeisterin und Paralympics-Gewinnerin nicht nur ihren sage und schreibe 16. deutschen Meistertitel, sondern knüpfte auch an frühere Leistungen mit der unvergessenen Stute Women of the World an. „Es hat gedauert, aber eher ging es eben nicht. Gerade vom letzten zu diesem Jahr hat ‚Lissy‘ einen Riesensprung gemacht. Ich freue mich, dass wir nicht aufgegeben haben, auch wenn in den letzten Jahren nur wir an sie geglaubt haben“, sagte Brenner. Belissima M wird Hannelore Brenner von ihrem Züchter Peter Moskopp zur Verfügung gestellt, der in München gleich doppelt Grund zur Freude hatte. So konnte auch Dorothee Schneider mit dem von ihm gezogenen Lord Fittipaldi (v. Lord Loxley I) für den Nürnburger Burgpokal qualifizieren.
Auf dem Silberrang in Grade IV landete die Vorjahressiegerin Dr. Saskia Deutz (Sehlem) mit der achtjährigen Hannoveraner Stute Soyala. Im dritten Jahr ihrer DM-Teilnahme sammelte sie insgesamt 136,522 Punkte. Bronze gewann wie schon 2018 die Frankfurterin Eva-Maria Pühringer mit Di Romy (129,704 Punkte).
Grade V: Titel mit Topergebnis für Regine Mispelkamp
75,119 und 76,0 Prozent – das absolute Topergebnis dieser Meisterschaft ging auf das Konto von Regine Mispelkamp, Titelverteidigerin in Grade V und zweimalige WM-Bronzemedaillengewinnerin. Wie in Tryon saß sie auch in München im Sattel des 14-jährigen Rheinländers Look at me now (v. Lord Nobel S). „Er war schon in der ersten Wertung gigantisch, war voll konzentriert und einfach toll“, schwärmte Mispelkamp. „Und in der Kür hat er sich richtig von der Musik tragen lassen. Das ist nicht immer so, denn sein Nervenkostüm ist nicht immer so gut, aber heute hat es einfach Spaß gemacht und ich die Kür voll genießen.“ Seit sie sich ihre Krankheit im vergangenen Jahr selbst eingestanden hat und sie damit auch an die Öffentlichkeit gegangen ist, hat sich einiges für sie verändert. „Ich bin offener geworden, nachdem ich Gefühl habe, mich nicht mehr verstecken zu müssen. Und ich denke sogar, dass ich seither sogar noch eine Nummer besser reite“, sagte sie.
Ganz eng ging es zu auf den folgenden Plätzen. In einem Kopf-an-Kopf-Finale setzte sich zuletzt Dr. Klaudia Götz aus Göllheim mit der Zweibrücker Stute Samoa durch. Mit weniger als einem halben Punkt Vorsprung gewann sie Silber und verwies Newcomerin Isabell Nowak aus Rodenberg mit dem Oldenburger Fokko auf Platz drei. In der ersten Wertungsprüfung war es noch umgekehrt gewesen. Götz kam auf 137,540, Nowak auf 137,445 Punkte.