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Eine Leidenschaft auf den zweiten Blick

Rollstuhlbasketball-EM: Nach einem schweren Fahrradunfall kämpfte sich Svenja Mayer zurück ins Leben, jetzt kämpft sie auf dem Spielfeld um Punkte und Rebounds – Ihr altes Leben wünscht sie sich nicht mehr zurück.

Autor: DBS
4 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 28. Juni 2019

Svenja Mayer ist mittlerweile nicht mehr aus der deutschen Nationalmannschaft der Rollstuhlbasketballerinnen wegzudenken. Auch bei der anstehenden Europameisterschaft, die vom 30. Juni bis 7. Juli im niederländischen Rotterdam stattfindet, wird sie im Nationaltrikot aufs Parkett rollen und mit ihrem Team um eine Medaille sowie das begehrte Ticket für die Paralympics in Tokio 2020 spielen. Dabei dachte sie vor acht Jahren nicht im Traum an eine Leistungssportkarriere.

Die heute 28-Jährige hat sich mittlerweile voll und ganz dem Rollstuhlbasketball gewidmet, der inzwischen mehr als nur ein Hobby für sie ist. Doch das war nicht immer so: „Anfangs hat mich die Sportart gar nicht interessiert, ich war Reiterin und eigentlich wollte ich das auch bleiben“, berichtet Svenja Mayer. 2011 hatte sie einen Fahrradunfall mit Folgen. Ein LKW hatte sie übersehen, rollte über ihr Becken – seitdem ist die ehemalige Friseurin inkomplett querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Ein Jahr lang war sie im Krankenhaus, musste unzählige Operationen über sich ergehen lassen, nach und nach kämpfte sie sich zurück in ein geregeltes Leben. Bereits in der Reha wurde ihr der Rollstuhlbasketball nähergebracht, doch bei den ersten Versuchen konnte Mayer der Sportart noch nicht viel abgewinnen.

Ab ins Nationalteam: „Habe meine Pferde verkauft und mich voll auf Rollstuhlbasketball konzentriert“

Erst ein paar Jahre später, 2014, spielte sie in ihrer Heimatstadt Amberg als Hobby ab und an Rollstuhlbasketball, bekam mehr und mehr Spaß am Körbe sammeln. Und aus Spaß wurde Leidenschaft. Im Landeskader Bayern begegnete sie Nationalspielerinnen wie Laura Fürst und Johanna Welin, an denen sich die ehrgeizige Rollstuhlbasketballerin schnell ein Beispiel nahm: „Ich bin mit den beiden in Kontakt gekommen und sie waren wirklich ein Vorbild für mich. Da wurde mir klar, dass ich auch mal in die Nationalmannschaft möchte.“ Nur ein Jahr später lernte sie ihren jetzigen Freund kennen – ebenfalls Rollstuhlbasketballer, allerdings ohne Behinderung – der in ihr großes Potenzial sah und sie davon überzeugte, den Sport professionell auszuüben. „Anschließend hat alles seinen Lauf genommen. 2016 bin ich von Amberg nach Heidelberg gezogen, um dort in der 2. Bundesliga zu spielen. Ich habe dann meine Pferde verkauft und mich voll und ganz auf den Rollstuhlbasketball konzentriert“, erzählt Mayer.

Mittlerweile ist der Rollstuhlbasketball nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken. Seit 2017 spielt Svenja Mayer für die Rhine River Rhinos Wiesbaden in der 1. Bundesliga, seit letztem Jahr ist sie Teil der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft. Ihr internationales Debüt war ein richtiges Highlight: die Heim-Weltmeisterschaft in Hamburg 2018. Dort machte die ehrgeizige Spielerin direkt auf sich aufmerksam und ist seither fester Bestandteil des deutschen Teams. „Ich versuche, immer besser zu werden. Für mein großes Ziel Tokio 2020 stelle ich alles hinten an“, sagt die zielstrebige 28-Jährige, die Mitglied im Top Team des Deutschen Behindertensportverbandes ist, entschlossen. Dafür trainiert sie täglich, oft auch mehrmals. Neben den Einheiten mit dem Team am Abend hat sie morgens individuelles Training in der Halle oder im Fitnessstudio. Die Zeit für Freunde, Familie und ihren Hund ist entsprechend knapp: „Vor allem die Leute in Amberg sehe ich mittlerweile selten“, berichtet Svenja Mayer

„Ich erlebe so viel und komme in der Welt herum – das wäre mir früher nie möglich gewesen“

Ihr altes Leben wünsche sie sich trotz allem nicht mehr zurück, sagt die gebürtige Ambergerin offen und ehrlich. „Erst durch den Rollstuhlbasketball habe ich meinen jetzigen Freund und so viele andere wertvolle Menschen kennengelernt. Und mit der Nationalmannschaft erlebe ich so viel und komme in der Welt herum – das wäre mir früher als Friseurin niemals möglich gewesen. Ich kann mich jetzt dem widmen, worauf ich Lust habe und was mir Spaß macht“, erklärt Mayer.

Ihre Lebensfreude nimmt die Rollstuhlbasketballerin auch mit in die Nationalmannschaft. Sie ist froh, Teil des deutschen Teams zu sein und die Mitspielerinnen unterstützen zu können, egal ob auf oder neben dem Feld: „Persönlich möchte ich dem Team mit allem, was ich geben kann, helfen – zum Beispiel auch mit meiner lustigen Art“, sagt Mayer. Inzwischen hat sie bei Länderspielen durchschnittlich fünfzehn Minuten Spielzeit und unterstützt damit die Mannschaft auch sportlich in hohem Maße.

Die Motivation für die anstehende EM ist im gesamten Team hoch. Mit dem Erreichen des vierten Platzes würde sich die Mannschaft das Ticket für die Paralympics in Tokio 2020 sichern – und nicht nur Svenja Mayer wäre ihrem Traum damit einen großen Schritt näher. Auch bei der Europameisterschaft wird sie sich wieder in den Dienst der Mannschaft stellen und alles geben. So wie immer. Eine echte Teamplayerin eben.