Medaille Nummer vier für Forster und die erste Paralympics-Medaille für Rieder.
Pe-King? Pe-Queen! Der letzte Wettkampftag der alpinen Skifahrerinnen bei den Paralympics in Peking wurde zum erfolgreichsten: Anna-Lena Forster fuhr souverän zum zweiten Sieg, während sich Anna-Maria Rieder als Dritte mit ihrer ersten Paralympics-Medaille belohnte. Noemi Ristau und Paula Brenzel belegten Platz neun, Andrea Rothfuss schied aus. Dazu hatte Christoph Glötzner eine gute Nachricht parat.
Anna-Lena Forster brachte den zweiten Slalom-Lauf ins Ziel, dann jubelte sie und man spürte förmlich, wie eine Last von ihr abfiel. An die viermalige Weltmeisterin von Lillehammer waren große Erwartungen herangetragen worden, doch sie kannte vor den Wettbewerben in Yanqing nicht einmal den Leistungsstand ihrer Konkurrenz, die allesamt der WM in Norwegen Ende Januar ferngeblieben waren. „Es war total schwierig, sich zu diesen Spielen etwas vorzustellen. Nach der Weltmeisterschaft habe ich mir schon viel erhofft. Dass es so aufgeht, muss auch erstmal klappen“, sagte die 26-Jährige vom BRSV Radolfzell, die nun mit Gold in der Super-Kombination und im Slalom, Silber im Super-G und in der Abfahrt sowie einem vierten Platz im Riesenslalom die erfolgreichste deutsche Athletin war.
„Ich hatte richtig Bock, Gas zu geben. Aber die Piste war schwieriger als ich erwartet hätte. Da waren ganz schöne Löcher drin“, sagte Forster, die nach dem ersten Lauf 1,46 Sekunden Vorsprung vor ihrer chinesischen Konkurrentin Liu Sitong hatte: „Deshalb habe ich etwas zurückgezogen und bin verhalten gefahren. Es war ein solider Lauf und es hat erstmal gereicht.“ Vor dem zweiten Durchgang schwor der italienische Trainer der Chinesinnen sein Team lautstark und mit wilder Gestik ein, Forster war klar: Sie wollte „ihr“ Gold, das sie auch 2018 in PyeongChang gewonnen hatte – und „mit verwalten ist nichts, die werden sicher nichts verschenken“. Doch im zweiten Durchgang fühlte sich die Wahl-Freiburgerin wohler und baute ihren Vorsprung aus – am Ende brachte sie 2,32 Sekunden vor Wenjing Zhang und Sitong ins Ziel: „Für mich persönlich war das super wichtig, weil Slalom meine Disziplin ist. Wenn ich daheim bin, wird sich das erstmal alles setzen. Ich bin schon unheimlich stolz.“
Nachdem sie ihre Favoritinnen-Rolle für die Paralympics nach der WM realisiert hatte, arbeitete sie viel mit ihrer Mentaltrainerin zusammen und konzentrierte sich auf sich selbst. Ihr Plus: Die Erfahrung von den Winterspielen 2014 und 2018. „Ich wollte in diesen Paralympics-Flow reinkommen, den ich von mir kenne. Und das habe ich irgendwie geschafft.“ Nach dem Ende der kräftezehrenden Tage von Yanqing steht für Forster – abgesehen von einer Feier im Dorf – Heimkommen ganz oben auf dem Plan: „Freunde und Familie wiedersehen, mich mit ihnen zusammen freuen. Die sind nachts immer aufgestanden und haben es angeguckt, das ist mir total viel wert. Die werden alle happy sein, dass ich das nochmal schaffen konnte. Ich habe ihnen ein ganz gutes Geschenk beschert.“
Bundestrainer Justus Wolf sah, dass Forster „vor allem die Erwartungen an sich selbst erfüllt hat. Es war ihr wichtig, dass sie diesen Titel verteidigt. Und umso mehr bin ich froh, dass mit Anna-Maria noch eine zweite Medaille hinterherkam und wir jetzt insgesamt drei Medaillengewinnerinnen haben.“
„Da musste im Ziel ein Freudenschrei raus“
Schon vor der Pe-Queen, wie Forster in Anlehnung an den Austragungsort genannt wurde, hatte es deutschen Jubel gegeben: Anna-Maria Rieder, die zuvor Fünfte in ihrem ersten paralympischen Super-G, Vierte in der Super-Kombination und Fünfte im Riesenslalom geworden war, belohnte sich in ihrer Spezial-Disziplin Slalom mit Bronze. Da die 22-Jährige vom RSV Murnau nach dem ersten Durchgang bereits Dritte war, wusste sie im Ziel direkt, dass sie ihr erstes Edelmetall hatte, als die Anzeige grün aufleuchtete: „Es fühlt sich sehr cool an, da musste im Ziel ein Freudenschrei raus. Es ist einfach ziemlich, ziemlich geil.“
Ihre Enttäuschung nach Platz vier in der Super-Kombination – in Lillehammer hatte sie noch WM-Bronze gewonnen – und nach dem fünften Platz im Riesenslalom konnte sie mit einem Trick ablegen: „Da war ich schon ein bisschen traurig, weil mehr möglich war. Ich habe das Ganze so gesehen, als beginnen die Paralympics für mich neu. Dadurch hatte ich im Kopf, dass ich noch Kraft habe.“ Doch obwohl sie um ihre eigene Stärke wusste, glaubte sie nicht an eine Medaille – auch, weil sie in den Tagen zuvor sah, wie gut ihre Konkurrenz geworden war: „Ich wusste, dass es extrem schwer wird. Dass es geklappt hat und ich mit einer Medaille heimkomme, ist umso schöner." So fanden die zweiten Paralympics für Rieder den Abschluss, den sie sich erhofft hatte – „und ein bisschen feiern tun wir schon noch.“
Rothfuss: „Cortina 2026 klingt sehr, sehr süß“
Noemi Ristau und ihre Begleitläuferin Paula Brenzel wurden Neunte. Es war ein versöhnlicher Paralympics-Abschluss nach einem guten fünften Platz im Super-G, dem Ausscheiden in Abfahrt und Super-G sowie einem gestrigen zehnten Rang im Riesenslalom. Zwar waren die beiden mit ihrer Platzierung alles andere als zufrieden, doch nach Rang elf im ersten Lauf konnten sie noch zwei Konkurrentinnen hinter sich lassen. Ristau sagte: „Im zweiten Lauf war es wesentlich besser. Natürlich noch nicht das, was ich kann – das konnte ich leider nicht zeigen. Aber es war flüssiger und die Piste war nicht so schlagig wie im ersten Durchgang. Ich habe noch mal einen guten Lauf gezeigt.“
Andrea Rothfuss, die einen Tag zuvor Bronze im Riesenslalom gewonnen hatte, schied im Slalom aus, hatte sich aber nichts vorzuwerfen: „Das, was ich mir erträumt habe, habe ich gestern Realität werden lassen. Ich war heute echt spritzig, habe alles in die Waagschale geworfen. Es sollte nicht sein, aber damit kann ich leben.“ Rothfuss, die nach fünf Paralympics-Teilnahmen immer wieder auf ein Karriereende angesprochen wurde, sagte: „Schluss ist heute sicher noch nicht. Nächstes Jahr wartet die WM und die höre ich ganz laut rufen.“ Selbst die Paralympics 2026 in Cortina d’Ampezzo wollte sie nicht ausschließen: „Es klingt natürlich sehr, sehr verlockend, weil es ein traditioneller Wintersportort ist. Cortina ist für Alpin-Athleten ein kleines Mekka, wo man in seinem Leben einmal gefahren sein muss. Das hat einen sehr großen Reiz. Aber ich muss erstmal in mich gehen und darüber nachdenken. Ich schaue von Jahr zu Jahr, wie es mir geht, was der Körper zu mir spricht, wie viel Feuer noch in mir brennt."
Falls Forster und Rieder Medaillen gewinnen, kündigte Rothfuss lachend an, „gibt es kein Halten mehr. Dann bauen wir das Dorf ab. Wir werden den Moment genießen und alles mitnehmen. Wir haben die letzten vier Jahre so viel Arbeit reingesteckt – nicht nur wir, sondern das ganze Team, denen ein großer Anteil an den Medaillen gehört.“
Wiedergenesener Glötzner und Kress am Sonntag im Slalom
Eine gute Nachricht gab es noch am Rande des Frauen-Slaloms, denn Leander Kress und überraschenderweise auch Christoph Glötzner trainierten am Nebenhang für ihre Rennen am Sonntag. Glötzner hatte sich beim Einfahren zwei Tage zuvor vor dem Riesenslalom, der sein Paralympics-Debüt hätte werden sollen, bei einem Sturz eine schwere Schienbeinprellung und einen Muskelbündelriss im Oberarm zugezogen. Doch bereits 48 Stunden später stand er wieder auf seinem Ski – auch für ihn selbst überraschend: „Schon beim Einfahren habe ich gemerkt, dass es von der Belastung am Schienbein geht. Dort ist es eine Schmerzenssache, da kann ich nicht viel kaputtmachen. Es geht nur um den Oberarm und das klappt erstaunlich gut. Das gibt mir Hoffnung für morgen, es geht in die richtige Richtung. Wir werden es auf jeden Fall probieren und alles Mögliche machen, was geht.“