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Jugend forscht im hohen Norden

Jugend forscht im hohen Norden
Foto: © Pam Doyle
10. Dezember 2018

Am Mittwoch beginnt im finnischen Vuokatti der erste Para Ski Nordisch Weltcup des Winters. Deutschland schickt elf Starter ins Rennen, vier davon sind achtzehn oder jünger.   

Die Erfolge der Paralympischen Spiele 2018 sind den deutschen Para Skilangläufern und Para Biathleten noch in bester Erinnerung. Ende November wurden sie durch einen Dreifacherfolg bei der Wahl der Para Sportler des Jahres wachgeküsst. Jetzt aber geht der Blick nach vorn. Die Saison 2018/2019, die im Februar ihren Höhepunkt in der Weltmeisterschaft im kanadischen Prince George finden wird, beginnt an diesem Mittwoch im finnischen Vuokatti mit einem Klassik-Langlaufrennen über die mittlere Distanz. Bis zum darauffolgenden Mittwoch, 19. Dezember, stehen zwei weitere Langlauf- und drei Biathlon-Wettkämpfe auf dem Programm.   
Der Bundestrainer Ralf Rombach blickt dem Start gleichermaßen erwartungsfroh wie entspannt entgegen. Die Bedingungen beim letzten großen Trainingslager im italienischen Livigno ließen kaum Wünsche offen, traditionell aber ist der Leistungsdruck beim ersten Weltcup noch gering. Es gelte, ein gutes Gefühl für die eigene Leistungsfähigkeit zu bekommen, sich unter Wettkampfbedingungen weiterzuentwickeln, um dann zur WM in Kanada voll im Saft zu stehen. „Ich sehe Vuokatti als weiteren Baustein in der Vorbereitung auf Prince George“, sagt Rombach.   
Bei seinen Schützlingen herrschen Vorfreude und Neugierde. „Du kannst vorher immer nur sagen, wie viel du getan hast. Wo du im Vergleich zur Konkurrenz stehst, weißt du erst im Rennen“, sagt Martin Fleig (Ring der Körperbehinderten Freiburg). Auf den Paralympicssieger und amtierenden Doppelweltmeister lasten derzeit mit die höchsten Erwartungen. Fleig will sich davon aber nicht verrückt machen lassen. „Ich fühle mich gut und werde mein Bestes geben. Wofür es dann reicht, wird man sehen.“ Einziges Problem des 29Jährigen: Sein Erfolgsschlitten von PyeongChang ist defekt, er muss auf einen alten zurückgreifen.  „Aber mit dem habe ich 2017 vier WM-Medaillen geholt. So schlecht kann er also nicht sein.“  

Wickers Neustart nach der Seuchensaison  

Bei den Frauen in der sitzenden Konkurrenz sind Andrea Eskau (USC Magdeburg) und Anja Wicker (MTV Stuttgart) dabei. Eskau, sechsfache Medaillen-Gewinnerin der jüngsten Paralympics, holte sich unmittelbar vor dem Abflug die Ehrung als Sachsen-Anhalts Sportlerin des Jahres ab (vor der Diskuswerferin Nadine Müller und der Leichtathletin Cindy Roleder), Wicker will den vergangenen Winter möglichst schnell abhaken. In Livigno ackerte die 26-Jährige eine Woche länger als die meisten Teamkollegen. „Ich fühle mich besser als vor einem Jahr“, sagt sie. Auch Eskau sieht angesichts „wirklich guter Trainingsergebnisse“ den Weltcup-Auftakt als willkommene Standortbestimmung zu richtigen Zeit.  
Steffen Lehmker (WSV Clausthal-Zellerfeld), Alexander Ehler und Marco Maier (beide SV Kirchzarten) sind die deutschen Starter bei den Männern in der stehenden Konkurrenz. Für Maier bedeutet das die Rückkehr an den Ort, an dem er 2016 seine Starterlaubnis verlor, weil die Regelhüter des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) seine Behinderung – eine angeborene Symbrachydaktylie, durch die dem 18-Jährigen an drei Fingern der linken Hand vordere Glieder fehlen – als nicht ausreichend bewerteten. Nach einem Einspruch der deutschen Mannschaft korrigierte das IPC diese Ansicht im Januar 2018, nun ist Maier wieder dabei. „Ich reise mit gemischten Gefühlen nach Vuokatti, will die Geschichte aber hinter mir lassen und Steffen und Alex gehörig Druck machen“, kündigt er an.   

Seine Teamkameraden gewannen in PyeongChang in der Mixed-Staffel mit Andrea Eskau sensationell Bronze und haben durch diesen Erfolg Lust auf mehr bekommen. Lehmker, der in dieser Saison zweigleisig fährt und probeweise auch im Para Snowboard startet, peilt im Para Skilanglauf und Para Biathlon den Wechsel der Startklasse an. Er will künftig mit angelegtem Arm antreten. Geht der Antrag durch, gewänne er im Vergleich zu Teilen der Konkurrenz eine kleine Zeitgutschrift. „Ich bin sportlich und gesundheitlich gut durch den Sommer gekommen. Jetzt gilt es, die Leistung abzurufen“, sagt der Bad Bevenser.   

Nico Messinger ist verschnupft  

Gut durch den Sommer zu kommen war auch der Plan von Nico Messinger (Ring der Körperbehinderten Freiburg). Beim Lehrgang in Lenzerheide aber zog er sich einen Knochen-Haarriss im Sprunggelenk zu. Das warf ihn etwas zurück, dennoch schien er bis zur vergangenen Woche fit – dann schlug ein Schnupfen zu. „Ich hoffe, das geht schnell vorüber“, sagt der Sehbehinderte, der am Dienstag seinen 24. Geburtstag feiert. Als Ziel für Finnland und den Rest der Saison nennt Messinger, dauerhaft in den Top acht der Welt aufzutauchen. Als Begleitläufer steht ihm wie gehabt Lutz Klausmann (SV St. Georgen) zur Seite.   

Für die zweifache Bronze-Medaillengewinnerin von PyeongChang, Clara Klug (PSV München) und ihren Guide und Trainer Martin Härtl (SK Nesselwang) soll Vuokatti einen weiteren kräftigen Entwicklungsschritt darstellen. Das Duo denkt in größeren Kategorien und plant langfristig für die Paralympics 2022 in Peking.  „Wir haben deswegen beschlossen, dieses Jahr ausnahmsweise beide fit, gesund und verletzungsfrei zu bleiben“, sagt Klug mit einem Augenzwinkern, denn natürlich will die 24-Jährige auch bei der WM glänzen. „Es soll wieder aufs Podest gehen“, sagt Härtl. 2017 in Finsterau gab es zweimal Silber und einmal Bronze.   

Mit Freude beobachtet Klug die Entwicklungen im eigenen Nachwuchsbereich. Dort haben die 17-jährige Johanna Recktenwald (mit ihrem Guide Simon Schmidt) vom Biathlon Team Saarland und die 14-Jährige Leonie Walter vom SV St. Peter (mit Guide Frank Wagner) so gut gearbeitet, dass sie sich einen Start beim Weltcup-Auftakt verdient haben. Gleiches gilt für Ekatarina Kauffmann vom SV Kirchzarten. Dank der 14Jährigen ist erstmals seit langem wieder eine deutsche Frau in der stehenden Konkurrenz dabei. Der für den Nachwuchs zuständige Bundestrainer Michael Huhn attestiert seinen drei Schützlingen viel Potenzial und Leistungsfähigkeit. „Jetzt sollen sie einen Vergleich zur Weltspitze bekommen“, sagt er.   

Bundestrainer Ralf Rombach will seine Neulinge „in Ruhe aufbauen“ und sehen, wie sie mit ihrer Nervosität umgehen. Bei Heim-Weltcups in Finsterau oder Oberried waren alle drei schon im Einsatz, ein Start in der finnischen Fremde aber sei etwas ganz anderes.  Entsprechend gespannt ist das Trio nach Vuokatti gereist. „Die Vorfreude aber überwiegt“, sagt Johanna Recktenwald – und spricht stellvertretend jeden im Team.