Johanna Recktenwald und Emily Weiß nach der Siegerehrung mit ihren Goldmedaillen
WM

Recktenwalds Premierensieg als emotionaler Abschluss

Die 23-jährige Saarländerin schnappt sich bei den Para Biathlon-Weltmeisterschaften im slowenischen Pokljuka dank fulminanter Schieß- und Laufleistung Gold im Einzel über 12,5 Kilometer. Leonie Walter und Anja Wicker holen Silber und gewinnen damit wie Johanna Recktenwald im dritten Rennen ihr drittes Edelmetall.

5 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 09. Februar 2025

Schießfehler treffen Biathletinnen und Biathleten immer direkt ins Herz. Im Einzelrennen wirkt sich jede stehenbleibende Scheibe zusätzlich schmerzhaft auf die Rennzeit aus, addiert sich doch pro Fehlschuss eine Minute zusätzlich auf die Laufzeit. Über die 12,5 Kilometer bei den Para Weltmeisterschaften der Internationalen Biathlon Union (IBU) am Sonntag machten Anja Wicker (MTV Stuttgart), Marco Maier (SV Kirchzarten) und Leonie Walter (SC St. Peter) jene Erfahrung, auf die sie gern verzichtet hätten. Johanna Recktenwald (Biathlon-Team Saarland) hingegen machte sie nicht – und ergoss im Ziel Freudentränen.

Wicker fehlten in der Loipe die Winzigkeit von 0,3 Sekunden auf ihre Dauerkonkurrentin Kendall Gretsch (USA). Doch weil sich die 33-jährige Schwäbin beim zweiten Schießen zwei Fehler leistete und Gretsch alle 20 Schüsse ins Ziel setzte, ging die Goldmedaille bei den Frauen sitzend vermeintlich deutlich an die US-Amerikanerin. „Läuferisch war es echt gut. Meine Arme waren gut drauf und meine Skier der Hammer“, sagte Wicker und sendete ihren Dank an die deutschen Wachser. „Ich bin außerdem stolz, dass ich nach meinen beiden Fehlern cool geblieben bin.“ Das war ausschlaggebend dafür, dass sie nach Silber im Sprint und Bronze in der Sprint-Verfolgung auch im Einzel Silber holte. Bronze ging an Shiyu Wang aus China.

Marco Maier, in den Tagen davor zweifacher Silber-Medaillengewinner bei den stehenden Männern, musste trotz erneut starker Laufleistung nach vier Schießfehlern seine Hoffnungen auf einen weiteren Platz auf dem Podium begraben. Er wurde beim Sieg von Mark Arendz (Kanada) vor Benjamin Daviet (Frankreich) und Grygorii Vovchynskyi (Ukraine) Achter. „Es klappt leider nicht immer am Schießstand. Ich kann mit meiner Leistung hier in Pokljuka trotzdem zufrieden sein“, sagte der 25-Jährige.

Alexander Ehler feiert persönliche „Goldmedaille“

Bester Deutscher bei den Männern der stehenden Klasse wurde Alexander Ehler (SV Kirchzarten), der nach einem Fehler als Siebter 2,9 Sekunden vor Maier blieb und damit seinen Nationalkader-Status bestätigte. „Für mich fühlt sich dieser siebte Platz wie eine Goldmedaille an“, sagte der Oldie im deutschen Team. Der 18-jährige Max Long präsentierte sich als 15. zum Abschluss seines WM-Debüts ebenfalls sehr ordentlich am Schießstand und ließ nur eine Scheibe stehen. Bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung erreichte Lennart Volkert (PSV München, mit Robin Wunderle als Guide) die sechstbeste Laufzeit, fing sich am Schießstand aber vier Strafminuten ein. Das brachte ihm am Ende den achten Rang ein.

Für den emotionalen Höhepunkt des Tages aus deutscher Sicht sorgte im finalen Rennen der WM Johanna Recktenwald mit ihrer Begleitläuferin Emily Weiß. Bei den Frauen mit Sehbeeinträchtigung blieb die zuvor zweimal mit Silber dekorierte Recktenwald wie in den Tagen zuvor ohne Fehler – im Gegensatz zu ihrer Teamgefährtin Leonie Walter und der Österreicherin Carina Edlinger, die sich beide zwei Strafminuten einhandelten. Läuferisch auf dem Papier nicht ganz so stark wie ihre Konkurrentinnen, aktivierte sie auf der Schlussrunde angetrieben von Weiß und dem Trainerteam am Streckenrand alle Kräfte und lief nicht nur zu Gold, sondern auch zu ihrem ersten Sieg überhaupt im Para Ski nordisch.

„Sensationell“, fand das der Bundestrainer Ralf Rombach. „Das war Johannas Tag heute. Sie hat am Ende total durchgezogen und alles gezündet.“ Am Ende rettete sie 23,9 Sekunden ins Ziel – und konnte ihren Triumph erst gar nicht fassen. „Unglaublich, wow! Emily hat mich so laut den Anstieg hochgeschrien. Ich dachte gleich explodiert der Lautsprecher“, sagte die Weltmeisterin. Leonie Walter machte derweil mit ihrem Guide Christian Krasman durch eine starke Schlussrunde den dritten deutschen Doppelsieg dieser Wettkämpfe perfekt. Aus sechs Sekunden Rückstand nach dem letzten Schießen auf die laufstarke Edlinger machte sie eine Sekunde Vorsprung. Nach zweimal Gold in den Vortagen gab es diesmal Silber für sie.

Der Blick geht nach Toblach

Aus dem Wintersportparadies Pokljuka nehmen die deutsche Para Biathletinnen und Para Biathleten nicht nur aufgrund der Ergebnisse sehr positive Eindrücke mit. „Es war hier alles toporganisiert, ein Wettbewerb mit einem hohen sportlichen Wert. Die Anlage hat einen Charme. Sie wirkt sehr familiär. Das passt gut zu unserer Para-Familie. Wir kommen gern wieder“, fasste Ralf Rombach zusammen.

Verweilen kann die deutsche Mannschaft in Slowenien nicht. Am Mittwoch steht das erste Rennen der vom Weltskiverband FIS organisierten Para Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Toblach (Italien) auf dem Programm. Dann stoßen in Theo Bold (mit Guide Jakob Bold), Linn Kazmaier (mit Guide Florian Baumann), Sebastian Marburger, Kathrin Marchand, Merle Menje und Maximilian Weidner einige Athletinnen und Athleten zum Team hinzu, die in Pokljuka nicht dabei waren. In Südtirol heißt es dann: Nur die Laufleistung zählt. Für das deutsche Team ist das nach den jüngsten Eindrücken nicht die schlechteste Nachricht.  


Hier gibt's weitere Informationen zur anstehenden Weltmeisterschaft im Para Langlauf in Toblach.



Text: Benjamin Schieler / DBS


Das deutsche Aufgebot für Toblach (Name, Alter, Geburtsort, Verein):
Frauen mit Sehbeeinträchtigung: Linn Kazmaier (18 / Nürtingen / SZ Römerstein, Guide: Florian Baumann / 23 / Nürtingen / SZ Uhingen), Johanna Recktenwald (23 / St. Wendel / Biathlon-Team Saarland, Guide: offen, Emily Weiß ist wegen Uniprüfungen verhindert), Leonie Walter (21 / Freiburg / SC St. Peter, Guide: Christian Krasman / 23 / Stühlingen / Ski-Club Schönwald)

Frauen stehend: Kathrin Marchand (34 / Köln / SV Kirchzarten)

Frauen sitzend: Merle Menje (20 / Mainz / StTV Singen), Anja Wicker (33 / Stuttgart / MTV Stuttgart)

Männer mit Sehbeeinträchtigung: Theo Bold (18 / Velbert / WSV Isny, Guide: Jakob Bold / 20 / Essen / WSV Isny), Nico Messinger (30 / Freiburg / Ring der Körperbehinderten Freiburg, Guide: Robin Wunderle / 26 / Freiburg / SC Todtnau), Lennart Volkert (21 / Berlin / PSV München, Guide: Nils Kolb / 22 / Freiburg / SV Kirchzarten)

Männer stehend: Alexander Ehler (55 / Leninogorsk (KAZ) / SV Kirchzarten), Marco Maier (25 / Oberstdorf / SV Kirchzarten), Sebastian Marburger (27 / Frankenberg (Eder) / SK Wunderthausen), Maximilian Weidner (35 / Passau / WSV-DJK Rastbüchl)


Der Zeitplan für die Para Skilanglauf-Weltmeisterschaften in Toblach:
Mittwoch, 12. Februar: 10 km klassisch
Donnerstag, 13. Februar: Offene Staffel und Mixed-Staffel (jeweils 4x2,5 km)
Freitag, 14. Februar: 20 km, freie Technik