„Platz drei im Einzel und vier im Pair – das hätten wir im Vorfeld blind unterschrieben“, berichtet Thomas Keller, Teammanager der Para Boccia-Nationalmannschaft. Nach der historischen Einzelmedaille von Boris Nicolai lieferte auch das BC4-Pair bei der Weltmeisterschaft in Liverpool ab. Bis zum Halbfinale lagen Boris Nicolai, Bastian Keller und Anita Raguwaran auf Medaillenkurs – die Niederlagen gegen Thailand und das Team aus Hong Kong bedeuteten am Ende Platz vier. Für den Moment eine Enttäuschung, aber trotzdem ein wichtiger Schritt in Richtung Paralympics 2020.
„Erst einmal gut ins Turnier finden, die Gruppenphase überstehen und dann schauen wir, was drin ist“, so hatte Cheftrainer Edmund Minas das Ziel für das Para Boccia-Pair bei den Weltmeisterschaften in Liverpool definiert. Trotz der knappen 4:5-Auftaktniederlage gegen das Pair aus Portugal, setzten die drei deutschen Spieler Bastian Keller, Boris Nicolai und Anita Raguwaran genau das um. Mit einem 3:2-Erfolg gegen das Team aus Großbritannien und einem deutlichen Sieg (5:2) gegen Japan sicherten sich die Deutschen Platz zwei in der Gruppe B und damit den Einzug ins WM-Viertelfinale.
Im Viertelfinale gegen Kanada erspielten sich Boris Nicolai und Bastian Keller gleich im ersten End eine kleine Führung. In End zwei zogen die Kanadier gleich, doch Durchgang drei und vier gingen wieder an das deutsche Pair, das sich mit einem 3:1 Erfolg den Einzug ins WM-Halbfinale sicherte.
Mit Pornchok Larpyen und Ritthikrai Somsanuk warteten im Halbfinale zwei Spieler aus der erfolgreichsten Nation auf das deutsche Pair – Thailand führte den Medaillenspiegel mit insgesamt drei WM-Medaillen in Liverpool an.
Im ersten Satz unterlief den Deutschen ein taktischer Fehler, der zu einer komfortablen 3:0 Führung aus thailändischer Sicht führte. Im dritten End kam das deutsche Pair nochmal bis auf einen Punkt ran, aber die Asiaten ließen sich nicht unter Druck setzen und entschieden das letzte End und damit das Spiel für sich. „Die Niederlage gegen Thailand war sehr schade. Die Thailänder spielen ein sehr hohes Niveau, aber ein Erfolg wäre machbar gewesen“, berichtet Thomas Keller.
Doch die Hoffnung auf eine WM-Medaille blieb für die deutsche Mannschaft weiterhin bestehen. Im kleinen Finale legte das Team aus Hong Kong jedoch ein Spiel wie aus dem Lehrbuch hin. Direkt im ersten End setzten sie Boris und Bastian mit einer 3:0-Führung mächtig unter Druck. „Die beiden haben echt ein hervorragendes Spiel abgeliefert und uns von Anfang an wenige Möglichkeiten gelassen zu punkten. Hinzu kam, dass wir selbst sehr verkrampft gespielt haben. Boris und Bastian wollten diese Medaille einfach zu sehr“, resümiert Keller das Spiel. Mit einem deutlichen 7:1-Erfolg ging die Partie an das Team aus Hong Kong. Bundestrainer Edmund Minas beorderte im letztem Spiel Anita Raguwaran aufs Feld, sodass auch sie zu einem Kurzeinsatz bei der WM kam.
So blieb am Ende der vermeintlich undankbare vierte Platz für das deutsche Pair. Nach kurzer Enttäuschung wurde jedoch schnell klar, dass Platz drei im Einzel und Platz vier mit dem Pair weit über den WM-Erwartungen lagen. „Diese Platzierungen sind viel weiter oben, als wir es im Vorfeld hätten vermuten können. Es ist schön zu sehen, dass der Weg, den wir Deutschland einschlagen haben, der richtige ist und erste Erfolge mit sich bringt. Außerdem muss man im internationalen Verglich berücksichtigen, dass in einigen Nationen die Spieler Vollprofis sind und den ganzen Tag nichts anderes machen, als zu trainieren und sich auf das nächste Turnier vorzubereiten. Unsere Athleten arbeiten Vollzeit und spielen Boccia nach dem Feierabend oder am Wochenende“, sagt der Teammanager.
Die dazugewonnenen Weltranglistenpunkte stimmen die Para Boccia-Nationalmannschaft zudem versöhnlich mit den Ergebnissen, da diese über die Qualifikation für die Paralympischen Spiele 2020 mitentscheiden. „Im Optimalfall qualifizieren wir uns über einen Titel bei den Europameisterschaften 2019 in Sevilla direkt für die Spiele, aber das müssen wir erst einmal schaffen. Die Punkte, die wir hier bei der WM gesammelt haben, lassen das Ziel Paralympics 2020 jedoch schon näher rücken“, erklärt Thomas Keller optimistisch.
Die WM in Liverpool mit sehr positiven Ergebnissen hat ein weiteres Mal gezeigt, wie gut sich der Para Boccia-Sport in Deutschland weiterentwickelt. Mit viel Lob von den anderen Nationen und einer Bronzemedaille im Gepäck trat das deutsche Team stolz die Heimreise an.