Paralympics

„Unglaublich“ – Annika Zeyen wird Paralympics-Siegerin

Was für ein Auftakt für die Para Radsportler auf dem Fuji International Speedway! Annika Zeyen gewann am Vormittag im Zeitfahren Gold, Vico Merklein Silber sowie Kerstin Brachtendorf und Michael Teuber jeweils Bronze.
„Unglaublich“ – Annika Zeyen wird Paralympics-Siegerin
Foto: © Oliver Kremer / DBS
31. August 2021

Was für ein Auftakt für die Para Radsportler auf dem Fuji International Speedway! Annika Zeyen gewann am Vormittag im Zeitfahren Gold, Vico Merklein Silber sowie Kerstin Brachtendorf und Michael Teuber jeweils Bronze. Dass die Entscheidungen auf dem technisch schwierigen Kurs zum Teil extrem knapp waren zeigt, wie hoch die Leistungsdichte im Para Radsport mittlerweile ist.

„Unglaublich, ich kann das noch gar nicht fassen. Ich wusste zwischendurch, dass ich hinter der Amerikanerin und hinter der Italienerin deutlich zurücklag und hätte nicht gedacht, dass ich das in der letzten Runde noch aufholen kann. Deshalb ist es nochmal schöner,“ sagte sie. Mit dem anspruchsvollen Kurs über 16 Kilometer und vor allem mit den Steigungen ist die ehemalige Rollstuhlbasketballspielerin, die nun in der Startklasse H3 startet, sehr gut zurecht gekommen. „Das liegt mir einfach.“ In der zweiten und letzten Runde hat sie nach und nach Starterinnen überholt, die vor ihr ins Rennen gegangen waren. „Das hat mir Ansporn gegeben, weil es halt schön ist, wenn man vor sich Leute sieht und man kommt näher heran und kann sie überholen. Das war richtig gut!“

Mit Blick auf das morgige Straßenrennen steht jetzt erst einmal Regeneration auf dem Programm, um dann wieder fit an der Startlinie zu stehen. Durch die Kombination mit der Klasse H4 wird das Rennen nach ihrer Einschätzung aber sehr schwierig und stark vom Rennverlauf abhängig. Dennoch geht Annika Zeyen mit Gold im Rücken natürlich höchst motiviert auf die Strecke.

„Rasierklingen in den Adern“ – Vico Merklein gewinnt Silber

„Ich trainiere nicht, um Zweiter zu werden“, hatte Vico Merklein vor den Paralympics in Tokio gesagt. Nun ist es im Zeitfahren über 24 Kilometer die Silbermedaille geworden. Mit lediglich 1,89 Sekunden auf den Sieg. Doch danach gefragt, ob das nun ein Erfolg oder eine Niederlage bedeutet, ist seine Botschaft eindeutig. „Es war das beste Zeitfahren meiner Karriere und die Platzierung besser als letztes Mal in Rio, deshalb bin ich glücklich. Das ist der härteste und längste Kurs, den ich je gefahren bin. Deshalb bin ich ganz schön erschöpft. Ich bin einfach meinen Stiefel gefahren. Ich habe alles gegeben und war mit meiner taktischen Aufstellung genau richtig – mehr ging einfach nicht“, sagte er nach dem Rennen zufrieden und erklärte: „Wenn Du das Gefühl hast, das Dir Rasierklingen durch die Adern laufen, ist das bei uns Radsportlern genau das, was wir wollen. Wer das am längsten aushält, hat am Ende gewonnen.“

Auf das Straßenrennen freut er sich mit der Medaille in der Tasche nun ganz besonders. „Jetzt kann ich alles, was kommt, genießen. Dann wird es umso besser funktionieren.“ Und so will er vor allem eine Stärke ausspielen: Im direkten Konkurrenzkampf taktisch zu agieren und die letzten Kräfte freizusetzen. „Ich will meinen Gegnern in die Augen sehen und sie leiden sehen - und meine Gegner mich.“

Bronze für Kerstin Brachtendorf: „Ich kann es gar nicht fassen“

Für Kerstin Brachtendorf ist die Bronzemedaille im Zeitfahren der Startklasse C5 das erste paralympische Edelmetall überhaupt. Dementsprechend glücklich zeigte sich die 50-Jährige, kämpfte gar mit den Tränen. Bei ihrer dritten Paralympics-Teilnahme und nach ihrem siebten Platz 2019 in Rio de Janeiro verbucht sie das als grandiosen Erfolg. Auf dem anspruchsvollen Kurs über 24 Kilometer – gespickt mit einigen Anstiegen, zahlreichen 90 Grad-Kurven und rasanten Abfahrten – gelang ihr nur 20 Tage nach einer ungeplanten Operation dieser Paukenschlag.

„Ich hab mir gar nichts mehr ausgerechnet, weil ich erst vor drei Wochen einen Verschluss der inneren Beckenarterie operieren lassen musste. Und jetzt stehe ich hier und habe tatsächlich eine Medaille – unfassbar.“ Die Emotionen hatten indes schon während des Rennens Besitz von ihr ergriffen. „Als ich die ersten Meter gefahren bin, habe ich eigentlich schon geheult, weil ich einfach glücklich war, dass ich hier bin. Die Medaille ist jetzt einfach die Krönung“, sagte sie nach dem Rennen sichtlich bewegt.

„Das beste Rennen meiner Karriere“ – Michael Teuber gewinnt Bronze, Pierre Senska Vierter

Spannender hätte es kaum sein können! Nur drei Sekunden fehlten Michael Teuber in der Startklasse C1 über 16 Kilometer am Ende zu Silber, fünf zu Gold. Mit dem Gewinn der Bronzemedaille erweiterte der 53-Jährige einmal mehr seine beachtliche Medaillensammlung. Und haderte nicht mit den geringen Abständen zu Silber und Gold.

„Sometimes you win, sometimes you loose“, sagte er und ergänzt: „Am Ende freust Du Dich, wenn Du Dich bis an die Grenze belastest und dann noch was dabei herauskommt. Ich habe meine besten Wattwerte überhaupt gebracht, war nur wenige Sekunden hinter dem Sieger, der mir auf der Bahn eine halbe Minute abgenommen hatte. Das war mit Sicherheit das beste Rennen meiner Karriere.“ Und so freute es ihn besonders, dem Sieger Mikhail Astashov aus Russland seine Goldmedaille umhängen zu dürfen – sie damit gewissermaßen an die nächste Generation weiterzureichen. Pierre Senska beendete das Rennen hinter Teuber auf Platz vier.

Weitere Ergebnisse:

Andrea Eskau landete über die 24 Kilometer der Startklasse H5 auf dem fünften Platz. „Ich konnte nicht umsetzen, was ich mir vorgenommen habe. Ich bin eine Runde nach Plan gefahren, aber mir fehlte vollkommen die Orientierung, wo im Feld ich mich befinde“, sagte sie hörbar unzufrieden.

Für Bernd Jeffré sind wellige Kurse aufgrund seiner Körpergröße und dem damit einhergehenden Gewicht eine echte Herausforderung. Auch für ihn galt es in der Startklasse H4, 24 Kilometer über drei Runden zu bewältigen. Am Ende reichte es für einen achten Platz. „Ich bin ganz zufrieden mit meiner Zeit. Bin gut die Berge hochgekommen. Allerdings ist mir in der Schikane die Kette abgesprungen, gerade da, wo man keine Zeit hat, aber sonst war alles gut.“

Denise Schindler war am Ende von ihrem Rennen enttäuscht. Hatte sie zu Beginn der Paralympics auf der Bahn noch für die erste Medaille für das Team D Paralympics gesorgt, reichte es heute nicht für eine vordere Platzierung. In der kombinierten Klasse C2 und C3 landete sie über die 16 Kilometer lange Strecke auf Rang neun. „Von Anfang an habe ich gemerkt, dass die Wattwerte nicht stimmen und ich keine guten Beine habe. Ich bin hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben, so gesehen, war es für mich ein rabenschwarzer Tag, den ich abhake.“

Quelle: Heike Werner, Lukas Knöfler