Nur noch wenige Tage bis zum Startschuss der XV. Paralympics 2016 in Rio de Janeiro. Mit dabei die deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Herren, die am Donnerstag, den 8. September um 18:00 Uhr Ortszeit (23:00 Uhr MESZ) in der Carioca Arena des Barra Olympic Park ihren Auftakt gegen den Iran feiert sowie die deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Damen, die am Freitag, den 9. September um 15:15 Uhr Ortszeit (20:15 Uhr MESZ) in der Rio Olympic Arena des Barra Olympic Park ihren Auftakt gegen Gastgeber Brasilien feiert.
Für Bundestrainer Nicolai Zeltinger sind die drei großen Medaillenfavoriten 2016 schnell ausgemacht: „Ich glaube, dass der Weg zu Edelmetall nur über die USA, Australien und Großbritannien führt“. Damit wären drei der vier Erstplatzierten der Spiele von London genannt, lediglich Paralympicssieger Kanada steckt in einem tiefen Generationenwechsel und dürfte nicht in den Kampf um Medaillen eingreifen können. Hinter den großen Drei hat sich allerdings eine ganze Schar von Nationen positioniert, die den kleinsten Ausrutscher der Favoriten eiskalt auszunutzen werden und dazu gehört erfreulicherweise auch das deutsche Team.
„Ich denke, dass wir so tief wie selten zuvor besetzt sind und mit vielen guten und funktionierenden Aufstellungen operieren können. Dies macht uns ganz schwer ausrechenbar“, so Zeltinger weiter und fügt schmunzelnd an: „Auf unsere Defensive freut sich wohl kein Gegner“. In Peking und London scheiterte das deutsche Team jeweils im Viertelfinale. 2012 fast schon dramatisch, als der große Favorit USA erst auf der Ziellinie den Kopf aus der Schlinge ziehen könnte. Das Potenzial zu mehr ist da. Als Ziel ist jedoch auch anno 2016 lediglich das Viertelfinale ausgelobt, doch sportliche Träume sind erlaubt, auch für die deutschen Herren.
Auf die Frage zu den X-Faktoren im eigenen Spiel nennt der 44-jährige Bundestrainer für viele überraschend, beim tieferen Blick ins Detail aber absolut zutreffend, seine Lowpointer und dürfte dabei vor allem Starter Björn Lohmann im Kopf haben: „Wenn unsere Lowpointer einen großen Anteil an unserer Defensive haben und in der Offense intelligent agieren, dann ist das für uns die notwendige Basis. Auch wenn unsere Ein-Punkte-Spieler am Ende vielleicht nur zwei bis zehn Korbpunkte beisteuern, hängt von Ihnen ab, ob unsere etatmäßigen Schützen überhaupt in ihre Wurfpositionen kommen“. Und mit Center Aliaksandr Halouski, den beiden Guards Thomas Böhme und André Bienek sowie dem Liga-Scharfschützen Dirk Passiwan hat Deutschland offensiv so einige dieser Trümpfe im Ärmel. Ganz zu schweigen von den guten Auftritten in der Vorbereitungsphase des erst 18-jährigen Youngster Nico Dreimüller und des erfahrenen Jan Haller.
Die Vorfreude ist also groß und dies nicht nur, weil das Team in der Vorbereitungsphase bereits einmal brasilianische Luft schnuppern durfte. „Wir haben in diesem Jahr in Rio bereits erleben dürfen, dass der gemeine Brasilianer gerne alles auf den letzten Drücker macht, dann aber mit enorm viel Herzblut bei der Sache ist“, so Nicolai Zeltinger, der auf die aktuellen Probleme vor Ort angesprochen ergänzt: „Unser Fokus liegt auf dem Sport, von den vermeintlich logistischen Schwierigkeiten vor Ort lassen wir uns nicht ablenken, denn sie sind für alle Teams gleich“.
„Topfavorit ist eindeutig die Niederlande! Dazu kommen dann die USA, Weltmeister Kanada, aber auch wir selbst“, ist sich Bundestrainer Holger Glinicki der Konkurrenz in Rio durchaus bewusst, denn hinter diesem Quartett haben sich mit den starken Britinnen und den Chinesinnen zwei weitere Nationen aufgestellt, die durchaus Außenseiterchancen für das so genannte Treppchen haben könnten. Vor allem das Team aus dem Reich der Mitte hat sich seit 2008 kontinuierlich weiterentwickelt und im Vorjahr in der Qualifikation mit Australien den Finalisten der Spiele in London eliminiert. Die Einschätzung von Glinicki bedeuten dabei aber auch, dass Deutschland zum dritten Mal in Folge eine Medaille möchte, 2008 in Peking war es Silber, 2012 in London Gold.
Schlüsselfaktoren auf dem Weg zum erhofften Edelmetall ist auch bei den Damen ein tiefer Kader: „Wir haben viele gute Aufstellungsvarianten, dazu viel Erfahrung und einen tollen Teamspirit“, so der Hamburger Bundestrainer weiter, der aber auch kritisch anmerkt: „In schwierigen Situationen fehlt uns aber auch ab und zu eine Führungsspielerin“. Die entscheidenden Akteure werden für Glinicki von Spiel zu Spiel andere sein: „Wir haben den Vorteil, dass wir in allen Klassifizierungsbereichen sehr gut aufgestellt sind.
Im Vergleich zum EM-Jahr 2015, bei dem im Finale von Worcester gegen die damals ebenfalls favorisierten Niederländerinnen der sportliche Coup gelang, hat sich die Mannschaft mit den Rückkehrerinnen Simone Kues und Annegrit Brießmann zusätzliche Routine ins Team geholt. Und mit Mareike Miller hat die Mannschaft weitere Optionen in der Defensive wie in der Offensive.
Für Glinicki selbst sind es bereits die sechsten Paralympics als Spieler und Trainer. „Da ich noch nie in Südamerika war, wird Rio sicher noch einmal etwas ganz Besonderes. Ich reise aber ganz gelassen nach Brasilien, auch wenn der Druck auf uns als Goldmedaillengewinner 2012 natürlich nicht klein ist. Ich habe meiner Mannschaft aber auch gesagt, dass wir in Sachen Rahmenbedingungen sicher mit Abstrichen zu rechnen haben, vielleicht werden wir so positiv überrascht“, so der Bundestrainer weiter, der hofft, dass die Spiele in Rio gut besucht sein werden: „Wir werden gleich von Beginn an davon profitieren, da wir ja gegen den Gastgeber starten“.