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Zwischen Loipe und Buckelpiste: Ausdauer oder Adrenalin?

Autor: DBS
4 Minuten Lesezeit veröffentlicht am 08. November 2018

Bei den Paralympics in PyeongChang gewann Steffen Lehmker Bronze mit der Para Ski nordisch-Staffel – In dieser Saison wird er zudem auch seine Weltcup-Premiere im Para Snowboard feiern und im Frühjahr 2019 eine schwierige Entscheidung treffen

Für Steffen Lehmker wird es eine Reise ins Ungewisse, wenn er in diesen Tagen ins niederländische Landgraaf aufbricht. Dort finden vom 13. bis 15. November Europa- und Weltcups im Para Snowboard statt – und Lehmker wird teilnehmen. Dabei jubelte der 29-Jährige noch vor wenigen Monaten bei den Paralympics in PyeongChang über die Bronzemedaille mit der Para Ski nordisch-Staffel. In der kommenden Saison wird Steffen Lehmker in beiden Sportarten starten – zwischen Loipe und Buckelpiste sozusagen. Doch im Frühjahr 2019 muss er sich entscheiden: Para Ski nordisch oder Para Snowboard? Ausdauer oder Adrenalin?

Bei den Paralympics 2018 hatte sich Steffen Lehmker die Wettkämpfe der Para Snowboarder im Fernsehen angeschaut. Nicht etwa auf dem heimischen Sofa, sondern im Paralympischen Dorf in PyeongChang. In Südkorea war der 29-Jährige aus dem niedersächsischen Uelzen als Biathlet am Start und feierte bei seiner Premiere mit der Staffel die Bronzemedaille. „Ich erinnere mich sehr gerne zurück, besonders an das Highlight zum Abschluss. Für mich sind meine ersten Spiele eigentlich perfekt gelaufen, es hat großen Spaß gemacht und ich war mit voller Leidenschaft dabei“, berichtet Lehmker. Doch die Bilder vom Para Snowboard ließen ihn nicht mehr so recht los. „Ich war total begeistert von den Wettkämpfen und für mich stand fest: Ich habe große Lust, es zumindest mal auszuprobieren.“

Weltcup-Premiere auf dem Snowboard: „Ich habe auf jeden Fall Respekt davor“

Skateboard fuhr er schon immer gerne, in der Schule nahm er an einer Snowboard-Freizeit teil und verbrachte seine Freizeit sehr gerne auf dem Board, ob auf der Straße oder mit Kumpels in der Skihalle. Dort war er auch in den vergangenen Tagen häufig anzutreffen – allerdings nicht als Hobby, sondern als Vorbereitung auf die Wettkämpfe im niederländischen Landgraaf vom 13. bis 15. November. Dann wird es für Steffen Lehmker ernst: „Das wird eine spannende Sache und auch eine Herausforderung. Ich habe auf jeden Fall Respekt davor“, sagt er und fügt an: „Es wird ein aufregendes Gefühl, dabei zu sein und es mitzuerleben. Ich bin total gespannt, wie es klappt und wo ich im Vergleich zu den anderen stehe.“

Dabei profitiert Lehmker auch davon, dass Para Snowboard in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt. 2014 war bei der paralympischen Premiere der Sportart in Sotschi mit Stefan Lösler zwar ein deutscher Athlet vertreten, doch in PyeongChang fehlten die deutschen Farben in der Startliste komplett. Das soll sich 2022 in Peking ändern. Erstmals gibt es mit André Stötzer auch einen Cheftrainer Para Snowboard im Deutschen Behindertensportverband. „Es ist einfach eine attraktive Sportart, die begeistert und die für die Zuschauer sehr interessant ist“, sagt Stötzer, der bereits seit 16 Jahren Snowboardlehrer ist. Um die Sportart in Deutschland kontinuierlich gut aufzustellen, braucht es Strukturen – und natürlich Athletinnen und Athleten. „Ich kann nahezu bei null anfangen. Der Vorteil ist, dass es noch keine alteingesessenen Strukturen gibt, sondern ich vieles neu aufbauen kann. Das ist eine Herausforderung, auf die ich mich freue“, sagt Stötzer.

In die Niederlande reist der Cheftrainer mit fünf Sportlern – einer davon ist Steffen Lehmker. „Es sind viele Nationen am Start, nach den Wettkämpfen bin ich sicherlich schlauer, was im Para Snowboard für mich möglich ist“, berichtet der 29-Jährige, der nach Komplikationen bei der Geburt eine Plexuslähmung im rechten Arm hat. „Es gab Komplikationen und es musste schnell reagiert werden. Dabei wurden die Sehnen und Nerven im Arm beschädigt“, sagt Lehmker. Vom Sport hat ihn das nie abgehalten. Er spielte Tischtennis und Fußball im Verein, lief bereits mit 18 Jahren einen Marathon, der zweite ist für 2019 in Palma geplant. „Sport bedeutet für mich mehr Lebensqualität. Dadurch kann ich auch mit meiner Behinderung noch besser umgehen. Viele Leute kennen mich auch wegen der Behinderung. Die Aufmerksamkeit und Anerkennung haben nach den Paralympics spürbar zugenommen“, erklärt Lehmker.

Wegweisende Saison: „Ich mag den Ausdauersport sehr gerne, aber mich reizt auch das Adrenalin“

Der Lehramts-Student steht vor einer spannenden und wegweisenden Saison. Da er seine Masterarbeit vor wenigen Wochen abgegeben hat und erst Anfang Mai mit dem Referendariat an der Berufsschule starten wird, steht der Winter vollkommen im Zeichen des Sports. Nach der Wettkampf-Premiere im Para Snowboard geht’s ins Trainingslager mit der Para Ski nordisch-Nationalmannschaft und zum Weltcup-Auftakt in Finnland. Mitte Februar steigen die Para Ski nordisch-Weltmeisterschaften in Kanada, ehe Anfang März noch ein Weltcup-Einsatz auf dem Snowboard in Spanien geplant ist.

„Am liebsten würde ich dauerhaft beides machen, aber das ist zeitlich kaum möglich, auch mit Blick auf die Schule und die unterschiedlichen Trainingsbelastungen“, sagt Lehmker. So muss nach der Saison eine Entscheidung her. „Ich mag den Ausdauersport sehr gerne, aber mich reizt auch das Adrenalin beim Snowboard. Man muss Risiken eingehen, braucht eine gute Technik und gutes Material. Ich werde mich wohl auf die Sportart festlegen, die mir mehr Spaß macht und bei der ich die bessere Perspektive habe.“ Nach den ersten Rennen im niederländischen Landgraaf wird Steffen Lehmker diesbezüglich schon mehr wissen. Und fest steht: Die Vorfreude auf einen abwechslungsreichen Winter ist riesig – zwischen Loipe und Buckelpiste, zwischen Ausdauer und Adrenalin.