Paralympisch leben

Para Tischtennis: Stephanie Grebe und das Streben nach Gold

Stephanie Grebe (35) hat eine Vitrine voller Medaillen und Pokale. Die Para Tischtennisspielerin gewann Silber und Bronze bei Paralympics, ist amtierende Vize-Weltmeisterin und Vize-Europameisterin. Was aber fehlt, ist der ganz große Coup: Gold bei einem Großevent. Bei den Europameisterschaften im englischen Sheffield (4. bis 9. September) könnte dies gelingen.
Para Tischtennis: Stephanie Grebe und das Streben nach Gold
Stephanie Grebe Foto: Mika Volkmann / DBS
31. August 2023

Wenn Steffi Grebe in die Tischtennisbox steigt und die ersten Bälle spielt, schaut man gerne hin: Die 35-jährige Rechtshänderin pflegt ein ansehnliches Offensivspiel, zieht Topspins mit der Vorhand, sticht Bälle mit den Noppenbelägen auf der Rückhand ab und umläuft auch mal die Rückhand, um in den Angriff zu kommen. Das ist umso beeindruckender, weil sie ohne Arme und rechten Unterschenkel auf die Welt kam.

Grebe wurde in Berlin geboren und ist dort aufgewachsen. Später zog sie mit ihrem Vater in den Kreis Pinneberg bei Hamburg. Im Alter von 13 Jahren kam sie im Sommerurlaub eher zufällig zum Tischtennis. Heute, rund zwei Jahrzehnte später, schlägt sie für East Side Berlin auf und hat ihr Spiel perfektioniert. Sie hat eine Beinprothese und spielt mit einem Arm-Aufsatz, an dessen Ende ein Adapter angebracht ist. Daran befestigt ist der Tischtennisschläger. Das fehlende Handgelenk kompensiert sie mit Bewegungsimpulsen aus dem Unterarm. So erzeugt sie verschiedene Rotationen auf Weltklasse-Niveau in ihrer Startklasse. Theoretisch kennt sie die Formel für den Erfolg selbst am besten: nur nicht die Nerven verlieren, wenn es eng wird.

„Bei mir ist es viel Kopfsache. Ich bin erfolgreich, wenn ich mir selbst vertraue und an meine Fähigkeiten glaube“, sagt Grebe, die dem Paralympicskader des Deutschen Behindertensportverbandes angehört und in Vollzeit im Jobcenter arbeitet. Sie sagt, sie hole sich das Selbstvertrauen für den Sport im Alltag: „In meinem Leben fordern mich aktuell meine neue Aufgabe als Teamleiterin und der Hausbau. Diese Aufgaben helfen mir, zu wachsen.“ Sozial engagiert ist Grebe auch: Ehrenamtlich ist sie bei ihrem Herzensverein Moorreger SV tätig. Zudem ist sie Mitglied im Sozialverband Deutschland (SoVD), der sich für die Stärkung der sozialen Rechte Benachteiligter einsetzt.

Grebe blickt bereits jetzt auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurück. In der Wettkampfklasse 6 hat sie bereits dreimal an Paralympischen Spielen teilgenommen und zwei Edelmetalle mit nach Hause genommen. Sie ist Paralympics-Bronzemedaillengewinnerin von Tokio 2021, Paralympics-Silbermedaillengewinnerin von Rio 2016, mehrfache Vize-Welt- und Vize-Europameisterin. Was ihr fehlt, ist Gold. Zweimal verlor sie in Finalspielen gegen die Kroatin Sandra Paovic, die nach einem Autounfall in den paralympischen Sport gewechselt ist und seither die Klasse dominiert hat. Im WM-Finale 2014 und im Finale der Paralympics 2016 war Grebe ihr unterlegen. Doch die Kroatin wurde jüngst vom Verband ausgeschlossen und wird bei der EM in Sheffield nicht dabei sein. „Natürlich ist es das Ziel, die EM zu gewinnen. Die Karten sind neu gemischt, weil die Kroatin nicht mit dabei ist. Doch in unserer Klasse kann jeder jeden schlagen“, sagt Grebe mit Blick auf die Konkurrenz.

Ihr eigener Fokus lag zuletzt vor allem auf dem Timing am Tisch: Der Balltreffpunkt ist entscheidend dafür, wie erfolgreich der Schlag ist. Drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche sind bei ihr die Regel – bestehend aus Training am Tisch, Ausdauer- und Krafteinheiten für einen stabilen Rumpf. Hinzu kommen die Lehrgänge mit der Nationalmannschaft. Zuspruch und Rückhalt sind weitere Faktoren, die Steffi Grebe braucht, um gute Leistungen abzurufen. Sie ist ein Familienmensch: „Meine Mutter hat immer hinter mir gestanden. Sie weiß, was und wie ich denke und begleitet mich auch heute noch zu einigen Turnieren“, sagt Grebe. „Wenn Du eine Familie und gute Freunde als Rückhalt hast, ist das die beste Motivation. Mir gibt das einen starken Schub.“

Mentale Stärke hat sie in dieser Saison bereits bewiesen. Zum ersten Mal gewann sie die Slovenian Open. Ihr Sieg bei dem stark besetzten Turnier kam auch für sie eher überraschend. Die Zeichen stehen nicht schlecht, dass sie auch in Sheffield überraschen. Para Tischtennis-Bundestrainer Volker Ziegler hält große Stücke auf Grebe. „Steffi hat eine herausragend gute Beinarbeit. Ihr Spiel lebt von ihrer Beweglichkeit und Fitness“, sagt Ziegler. „Ich traue ihr zu, bei der EM die Goldmedaille zu gewinnen.“

Text: Jessica Balleer / DBS